Müde bin ich Känguru

Nachrichten aus dem Krisengebiet einer Patchworkfamilie

Auch erhältlich als:
19,90 €
(inkl. MwSt.)
In den Warenkorb

Nicht lieferbar

Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552060173
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 20.8 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Teresa ist sechzehn. Mit ihrem Vater Hannes, dessen zweiter Frau Betty und ihren vier Stiefgeschwistern lebt sie, alles andere als glücklich, in einer Patchwork-Familie. Sophie, Teresas Mutter, die nichts gegen eine Nacht mit einem Popstar hat, ist mangels mütterlicher Triebe für Teresa nicht gerade der Hauptgewinn, und auch die Stiefgroßeltern sind nicht so richtig das, was man sich oma- und opamäßig wünschen würde. Ein Trost ist, dass die meisten ihrer Freunde in ähnlichen Konstellationen leben, niemand ist so richtig zu beneiden. Teresa hat gelernt, sich zu wehren, aber sie ist doch auch noch ein Kind, verletzlich und schrecklich allein in einer Welt von angeblich erwachsenen Egoisten. Eine böse, parteiische und melancholische Geschichte über das Krisengebiet Patchwork-Familie.

Autorenportrait

Homepage von Elfriede Hammerl

Leseprobe

Deine Mutter ist auf dem Cover von Leute, sagt Carolina plötzlich. Betty wirft ihr einen strafenden Blick zu. Lass Teresa damit in Ruhe, sagt sie zu Carolina, obwohl Carolinas Bemerkung anscheinend ganz harmlos dahergekommen ist. Betty lächelt Teresa zu, verzeihend irgendwie, und beginnt, die leeren Teller abzuräumen. Los, los, ihr großen Mädchen, sagt sie betont fröhlich, sitzt nicht so faul herum, helft mir. Oft hat Teresa den Eindruck, Betty sieht sich unentwegt als Heldin einer steinzeitlichen TV-Serie, in der eine betuliche Mutter unerträglich positiv zum Leben eingestellt ist. Betty braucht es Teresa gar nicht zu verzeihen, dass sie eine Mutter hat, die auf dem Cover von Leute ist. Betty soll aufhören, so zu tun, als wäre es prinzipiell schon unanständig, das Cover von Leute zu zieren. Teresa traut sich zu wetten, dass Betty wer weiß was drum gäbe, einmal auf dem Cover von Leute zu sein. Vielleicht würde Betty sogar genauso weit gehen wie Sophie und mit Ronnie Williams bumsen, wenn sie dafür auf das Titelblatt von Leute käme, aber leider, leider, keine Chance. Da könnte Betty noch so lange vor der Hotelsuite lauern, Ronnie Williams würde sie nicht mit hineinnehmen, weil Betty nämlich nicht hübsch genug ist, so schaut's aus. Betty: breithüftig, flachbusig, dünnlippig. Naja, nicht dass Betty direkt unansehnlich ist, sie kommt ihrem eigenen Ideal der höheren Tochter ziemlich nahe, wenn sie, adrett im Poloshirt, mit einreihiger Perlenkette und klassisch geföntem Aschblondhaar, zum Elternsprechtag fährt, aber für einen Ronnie Williams wäre sie zum Schreien uninteressant. Und? Hast du's gelesen?, fragt Carolina nach dem Mittagessen lauernd in ihrem und Teresas gemeinsamem Zimmer. Klar, sagt Teresa kühl. Hast du wirklich gesagt, du findest es toll?, fragt Carolina. Wenn sie sagt, ich habe gesagt, dass ich es toll finde, dann wird's stimmen, antwortet Teresa. Oder willst du behaupten, sie lügt? Willst du behaupten, meine Mutter lügt?, mit Betonung auf meine Mutter wäre noch eindrucksvoller, aber um Carolina einzuschüchtern, muss man gar nicht so dick auftragen. Carolina sagt nichts mehr, sondern kramt in ihren Schulsachen. Sie ist zum Kotzen konfliktscheu. Wo hast du's gelesen?, fragt Teresa. Doch nicht am Kiosk? Nein, in meiner Klasse. Ich hab es mir ausgeborgt. In deiner Klasse lesen sie Leute? Ja. Warum nicht? Nur so. Typisch. Typisch, dass dieser angepasste Haufen katholischer Privatschülerinnen sowas Hirnloses wie Leute liest. Teresa geht in ein öffentliches Gymnasium. Darauf ist sie stolz. Noch sind die staatlichen Bildungseinrichtigen nicht den Bach runter, Leuten wie Betty zum Trotz, die das gerne sehen würden, weil sie ständig darauf aus sind, zu irgendwelchen Eliten zu gehören. Teresas Schule ist eine Intellektuellenschmiede. Sagen die, die was davon verstehen. Betty glaubt, sie eröffnet Carolina ganz andere Bildungschancen, wenn sie sie zu den Schulschwestern schickt. Stefanie geht auch schon hin, in den Kindergarten, aber nur zweimal die Woche vier Stunden, der Kindergarten soll ja, sagt Betty, die häusliche Erziehung nur ergänzen, nicht ersetzen. Betty, die Berufsmutter. So eine Berufsmutter hat's gut, was die Evaluierung anlangt, sie stellt sich selber das beste Zeugnis aus und schon ist alles geritzt. Wer soll ihr widersprechen? Ihre vier- und zweijährigen Sklaven, die an ihr hängen, weil sie von ihr abhängig sind? Sind die Kinder einmal nicht mehr abhängig und trauen sich, schlechte Zeugnisse auszustellen, heißt es, das ist die Pubertät, das muss man nicht ernst nehmen. Aber Carolina wird wahrscheinlich nicht einmal in der Pubertät gegen Betty aufbegehren. Der masochistische Eifer, mit dem sie Mamas großes Mädchen mimt, hat was Mitleid Erregendes. Also: hirnloser Haufen. Naja, obwohl, es lässt sich nicht leugnen, dass auch an Teresas Intellektuellenschmiede Leute gekauft und gelesen wird und keineswegs immer mit kritischem Abstand. Pfeif drauf. Nicht ihr Bier. Was geht Sophie sie ehrlich und Leseprobe