Beschreibung
Die zeithistorische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus hat auch in Deutschland eine bis in die Nachkriegszeit zurückreichende, lange sehr randständige, dann zunehmend gewichtigere Tradition, die stets eng verwoben war mit den Konjunkturen von Diskriminierung, Gewalt und den darauffolgenden gesellschaftlichen Antworten. Insgesamt wurden beide Phänomene zu lange von der historischen Forschung vernachlässigt, und die Gründe dafür liegen wohl nur teilweise in der jahrzehntelangen Fokussierung auf den nationalsozialistischen Rassismus der Zeit bis 1945. In jüngster Zeit ist diese Leerstelle akut deutlich geworden, scheint doch seit dem Mord an George Floyd und der global ansteigenden Rassismuskritik der gesellschaftliche Auseinandersetzungsbedarf das vorhandene zeithistorische Wissen bei weitem zu übersteigen. Der Band dokumentiert und erweitert die II. Bielefelder Debatte zur Zeitgeschichte, die 2022 in die Vielstimmigkeit und auch Unübersichtlichkeit dieser Gemengelage einige analytische Schneisen zu schlagen versuchte. Beiträge von Stefanie Schüler-Springorum, Barbara Manthe und Anna Strommenger sichten den zeithistorischen Wissensstand in Bezug auf Antisemitismus und Rassismus und fragen danach, inwiefern beides miteinander zusammenhängt. Teresa Koloma Beck und Max Czollek analysieren und kommentieren im Gespräch die aktuellen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Diskurse über Antisemitismus und Rassismus. Das Gespräch ist eine im besten Sinne riskante Begegnung (Koloma Beck), die subjektive, intellektuelle und strukturelle Aspekte des Themas und nicht zuletzt die Rolle der Wissenschaft in diesen Auseinandersetzungen zusammen- und weiterdenkt. Frank Wolff ordnet die Erkenntnisse und Thesen in einem Schlusskommentar in einen weiteren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Reflexionshorizont ein.
Autorenportrait
Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum leitet seit 2011 das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Von 2001-2011 war sie Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Seit 2012 ist sie Mitglied im Direktorium des Selma Stern Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg; seit 2020 Sprecherin des Berliner Standorts des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Schlagzeile
Die zeithistorische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus hat auch in Deutschland eine bis in die Nachkriegszeit zurückreichende, lange randständige, dann zunehmend gewichtigere Tradition. Sie war stets eng verwoben mit den Konjunkturen von Diskriminierung, Gewalt und den darauffolgenden gesellschaftlichen Antworten. Die Beiträge in diesem Buch sichten diese Diskriminierungs- und Wissensgeschichte nach 1945, bilanzieren den zeithistorischen Forschungsstand, benennen Leerstellen, methodisch-konzeptionelle Herausforderungen und Perspektiven, und setzen sich kritisch mit den strukturellen Ursachen und Folgen von Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft der Gegenwart und Zukunft auseinander.>