Über den Fluss nach Afrika

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453406094
Sprache: Deutsch
Umfang: 797 S., 3 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 4.3 x 18.6 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Ein Erdbeben der Gefühle Die junge Farbige Benita ist erfolgreiche Investmentbankerin in London. Ein geheimnisvoller Talisman zwingt sie, sich in ihrem Geburtsland Südafrika endlich auf die Suche nach der Wahrheit zu machen. Wer hat ihre Mutter zur Zeit der politischen Verfolgung umgebracht?Benita Steinach wurde von der englischen Familie Forrester adoptiert, nachdem sie als kleines Mädchen in Südafrika ein traumatisches Erlebnis hatte: Sie war Zeugin, wie ihre Mutter von Schergen des Apartheidregimes zu Tode gefoltert wurde. Seitdem leidet sie unter einer Teilamnesie, bis sie achtzehn Jahre später in London ein geheimnisvolles Päckchen erhält, in dem sich die kleine Figur eines Flusspferds befindet. Das Wissen, dass dieser Talisman nur von ihrer Mutter stammen kann, setzt bei Benita blitzlichtartige Erinnerungsstücke frei. Da kommt ihr eine Geschäftsreise nach Südafrika sehr gelegen, um dort endlich die Mörder zu finden. Oder hat ihre Mutter gar überlebt? Die Suche beginnt auf Inqaba, der Farm der Familie Steinach in KwaZulu-Natal, wo sich ihr allmählich eine Wahrheit offenbart, die sie nie geahnt hätte . Mit unvergesslichen Bildern erzählt Stefanie Gercke die bewegende Geschichte einer jungen schwarzen Frau zwischen Vergessen, Vergeben und Vergeltung Fortsetzung der mit Schatten im Wasser und Feuerwind begonnenen großen Afrika-Roman-Reihe

Autorenportrait

Stefanie Gercke wurde auf einer Insel des Bissagos-Archipels vor GuineaBissau/Westafrika als erste Weiße geboren und wanderte mit 20 Jahren nach Südafrika aus. Politische Gründe zwangen sie Ende der Siebzigerjahre zur Ausreise, erst unter der neuen Regierung Nelson Mandelas konnte sie zurückkehren. Sie liebte ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in die südafrikanische Provinz Natal und lebte zuletzt mit ihrer großen Familie bei Hamburg. Stefanie Gercke starb am 17. Oktober 2021.

Leseprobe

Beauty Makuba war das erste Opfer. Am Morgen des 4. Novembers fiel sie mit ausgestreckten Armen kopfüber in ein dreißig Meter tiefes Loch in ihrem Garten, das sich über Nacht aufgetan hatte, brach sich erst beide Arme, gleich darauf den Schädel und zum Schluss das Genick. Schmerzen spürte Beauty nicht. Sie war sofort tot. An diesem Tag fanden ihre Nachbarn in dem kleinen Ort Promise, der vom Bergbau lebte, nicht weniger als sechshundert solcher Löcher in ihren Gärten. Das tiefste war so tief, dass es dem Hausbesitzer bodenlos erschien und er fürchtete, in seinem Vorgarten einen direkten Zugang zur Hölle zu haben. Das regte ihn sehr auf, aber niemand konnte ihm die Frage beantworten, woher diese Löcher wirklich kamen und wohin sie führten. Die Minengesellschaft wandte sich an ihre Geologen. Da alles am Guy-Fawkes-Day geschah, an dem die Engländer mit Freudenfeuern und dem Abbrennen von spektakulären Feuerwerkskörpern feierten, dass besagter Guy Fawkes und seine Mitverschwörer im Jahr 1605 mit ihrem Plan scheiterten, das englische Parlament in die Luft zu jagen, unterlief dem Geologen vom Dienst, der obendrein an jenem Tag Geburtstag hatte, eine Nachlässigkeit. Er übersah einige ungewöhnliche, verhältnismäßig flache Zacken auf dem Seismographen. In seiner langatmigen Erklärung hieß es, dass es sich um einen Kaverneneinbruch handele, der ja vor Ort keine Besonderheit sei. Die hiesigen Minen waren ins Dolomitgestein getrieben, und durch die Schächte sickerte immerfort Oberflächenwasser nach, das von der Minengesellschaft ständig abgepumpt werden musste. Langsam, aber stetig fraß das Wasser das Gestein, und es entstanden riesige Kavernen, bis irgendwann die Höhlendecke aus dem weichen Kalkgestein nicht mehr stark genug war und einbrach. Der Einbruch erzeugte ein dumpfes Grollen und einen kurzen Erdstoß. Dann war es vorüber. Die Bosse der Minengesellschaft waren beruhigt und machten sich auf, um ebenfalls ausgiebig den Festtag zu begehen. Prudence Magubane aber hatte eine Erklärung, die den Bewohnern von Promise, die bis auf wenige Ausnahmen alle von dunkler Hautfarbe waren, mehr einleuchtete. Schon immer, so behauptete die alte Frau, der man nachsagte, dass sie in mondhellen Nächten allerlei geheimnisvolle Riten praktiziere, habe sie davor gewarnt, dass der Boden unter dem Ort durchlöchert sei wie ein Baumstamm von Termiten, weil da unten etwas lebe, das von unvorstellbarer Gefräßigkeit sei. Viele der Anwohner glaubten ihr, kauften ihre Medizin und gossen sie in die Löcher, um das unterirdische Biest zu füttern. Das Geschäft florierte, und Prudence Magubane zog bald von ihrer Wellblechhütte in ein Haus aus Stein, und in ihrem Wohnzimmer flimmerte fortan Tag und Nacht ein Fernseher. Aber das unterirdische Biest war unersättlich. Es lag auf der Lauer und wartete. Am Abend des Guy-Fawkes-Day bebte die Erde erneut, ein Stollen brach ein, und zehn Minenarbeiter der King Midas Gold Mine wurden verschüttet. Unerfahrene verwechselten das Geräusch gern mit dem eines vorbeifahrenden Zuges, aber jeder, der in dieser Gegend lebte, hielt es für einen Kaverneneinbruch, jede Frau, deren Mann in den Minen arbeitete, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und hoffte, dass es nicht den ihren getroffen hatte. Dieses Mal jedoch war es anders. Was die Höhlen zusammenbrechen ließ, war nicht ein Kaverneneinbruch, sondern ein tektonisches Beben. Die Geologen wiesen schnellstens darauf hin, dass Derartiges in dieser Gegend außerordentlich ungewöhnlich sei und sich wohl kaum wiederholen könne. Aber das Biest hatte die Zähne gefletscht. Die zehn Minenarbeiter konnten nach einigen Tagen nur noch tot geborgen werden. Das Begräbnis wurde vom Fernsehen übertragen, und die Frauen warfen sich über die Särge ihrer Männer und schrien und klagten, was die Stimmbänder hergaben, damit ihre Ahnen die Toten mit offenen Armen empfingen. Es war eine sehr würdige Zeremonie. Linnie merkte von alledem nichts. Das Weltgeschehen interessierte sie schon lange nicht mehr