Autorenportrait
Jakob Schaffner, 1875 in Basel geboren, lernte Schuhmacher und schaffte als Autodidakt mit dem Roman Konrad Pilater (1910) den literarischen Durchbruch. Er zog nach Deutschland und betrieb seit den frühen 30er Jahren Propagandaarbeit für die Nazis. Sein Hauptwerk Johannes (erster Teil 1922) erlebte vor dem Krieg unzählige Auflagen und Sonderausgaben. Schaffner starb 1944 in Straßburg bei einem Bombenangriff.
Leseprobe
Geboren bin ich, Johannes Schattenhold, im dunkelsten Monat das Jahres - am 14. November 1875 - in Basel, und zwar in derselben Straße, in der auch J. P. Hebel das unbeständige Licht dieser Welt erblickt hat, er als der Sohn von zwei kleinen Leuten, die einem malenden Basler Patrizier als Taglöhner dienten, ich als erstes Kind eines Gärtners, der ebenfalls bei einem Basler Patrizier angestellt war. Meinen Antrittschrei tat ich im Spital. Damals mochte mein Vater dreiunddreißig, und meine Mutter gegen sechsundzwanzig alt sein. Mein schlafendes Leben wurde zum erstenmal geweckt von einem Hagelwetter, das über die Gegend niederging. Ich sah aus dem Fenster der Wohnstube, wie die Schloßen niedersausten, das grüne Laub von den Bäumen sank, unreifes Obst zur Erde fiel, und das Gemüse zerhackt liegen blieb. In der Stube war es dunkel; draußen herrschte ein kaltes, sehr fremdes Zwielicht, durch das mein Vater den Gartenweg hinauflief, um die Rolläden über die schrägen Fenster des Treibhauses herunterzulassen; er hatte zum Schutz gegen die Schloßen die Jacke über den Kopf gezogen. Meine Mutter schlug auf der anderen Seite des Hauses die Läden zu. Später trat sie in das Zimmer, in dem ich mich aufhielt, aber ich drehte mich nicht nach ihr um; sie bekümmerte sich auch nicht um mich, und ich kann nicht sagen, was sie tat. Meine Stimmung war sehr ernst und aufmerksam, und eine tiefe, furchtbewegte, ehrfürchtige Andacht erfüllte mich gegenüber der Erscheinung, die ich später als die Natur kennen lernte, und als das Geschick, das uns darin beschieden ist. Als das Unwetter vorbei war, durfte ich hinaus. Der Hagel bedeckte handhoch alle Wege und Beete. Dazwischen lagen abgeschlagene Zweige und kleine Äste, auch tote Vögel fand ich. In einiger Entfernung sah ich meinen Vater langsam die Gartenbreite durchschreiten, aber ich wagte mich nicht zu ihm, weil mir seine Haltung die Vermutung eingab, daß er sehr traurig sei. In diesem Moment verehrte ich auch ihn tief und voll unaussprechlichen Verständnisses. Ich sah ihm nach, bis er hinter Büschen und Bäumen verschwunden war; dann dachte ich an die Mutter, die ich im Haus wußte, und ich hatte die Regung, mit diesem Gefühl zu ihr zu gehen; doch gehorchte ich ihm nicht, sondern setzte meinen einsamen Umgang ganz im Geist des Vaters durch den zerstörten Garten fort. Damals mochte ich etwa drei Jahre alt sein. Leseprobe
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