Marie ist auf der Flucht. Vor ihrem Mann, vielleicht auch vor sich selbst. Mit blutiger Stirn kämpft sie sich mitten in der Nacht auf die alte Bergalm ihres Großvaters, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr besucht hat. Fernab der Zivilisation lebt dort nun ihre Cousine Johanna – ohne Strom, ohne fließend Wasser, ihre Ziegen und ein alter Kauz als einzige Gesellschaft. Johanna war schon immer anders, eine vermeintlich einfache Frau ohne viele Worte, und dass Marie jetzt da ist, passt ihr eigentlich gar nicht.
Aber die beiden Frauen nähern sich langsam aneinander an. Denn oben auf dem Berg, wo sie ganze Hänge händisch abmähen, sture Ziegenböcke zähmen und Käse herstellen, herrschen andere Regeln und Gesetze, andere Parameter gelten für die Bestimmung von Intelligenz, was von Köller immer wieder in Kontrast gesetzt wird zu der Gesellschaft unten im Tal, deren Scheinheiligkeit und Aufgesetztheit sie scharfsinnig seziert. Oben auf dem Berg ist Marie frei von den Erwartungen der Eltern, der Männer. Und auch wenn sie keine unsichtbare Wand davon abhält – Marlen Haushofers Die Wand kann hier sicher als Referenzwerk gelten – wieder ins Tal zurückzukehren, will Marie bleiben. Und das nicht nur, weil sie auf der Flucht ist.
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