Beschreibung
Das Buch präsentiert Forschungsergebnisse eines interdisziplinär angelegten Städtevergleichs, der sich auf Differenzen und Eigenheiten städtischer Wahrnehmungs- und Handlungsmuster richtet. Analysiert werden Friseursalons, Stadtkrimis, Mediendiskurse und Stadtmarketingmaßnahmen in den vier Städten Birmingham, Dortmund, Glasgow und Frankfurt am Main. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die genannten Städte sind: Sie »ticken« verschieden, und zwar aus sich heraus.
Autorenportrait
Sybille Frank ist Professorin für Stadt- und Raumsoziologie an der TU Darmstadt. Petra Gehring ist Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt. Julika Griem, Prof. Dr., lehrte bis 2018 Anglistische Literaturwissenschaft an der Universität Frankfurt. Seitdem leitet sie das Kulturwissenschaftliche Institut Essen. Michael Haus ist Professur für Moderne Politische Theorie an der Universität Heidelberg.
Leseprobe
Städte unterscheiden lernen Sybille Frank, Petra Gehring, Julika Griem, Michael Haus Qui est inquit iste tandem urbanitatis color? Nescio, inquam, tantum esse quondam scio. Idee des Buches - Zum Stichwort "Eigenlogik" von Städten - Theoriebezüge und Interdisziplinarität - Vergleich als Methode ? Zur Städteauswahl ? Wirtschaftspraktiken, Problemdiskurse, Kriminalliteratur, Stadtmarketing: Vier Projekte und ihre Vorgehensweise ? Materialmix ? Zu den drei Teilen des Buchs sowie den Kapiteleinleitungen ? Disclaimer ? Ausblick, Dank Dieses Buch stellt vergleichend vier Städte - Birmingham, Dortmund, Frankfurt am Main und Glasgow ? vor. Zugleich wirft es, vierfach, eine Frage auf, welche in der Stadtsoziologie, in den Planungswissenschaften und in der lokalen Politikforschung über Jahrzehnte kaum gestellt worden ist: Besitzen Städte, besitzt jeweils diese Stadt individuelle Züge? Zeichnen sich die alltäglichen Wirklichkeiten von Städten, neben all dem Vielen, was anderswo ähnlich funktioniert, durch gewisse Eigenarten aus? Ticken Städte jeweils verschieden? Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es neuer Methoden. Denn die Problemstellung ist nur vermeintlich harmlos. Es beginnt schon beim Untersuchungsobjekt. Weder ist "die" Stadt ein leicht greifbarer Gegenstand, denn paradoxerweise besitzt die empirische Forschung lediglich Behelfskonzepte für das, was wir "Stadt" nennen. Eine fachübergreifend anerkannte Definition "der" Stadt gibt es nicht. Bisher existieren auch noch keine etablierten Suchmodelle, nämlich Verfahren, die darauf angelegt sind, singuläre Merkmale von Städten zu ermitteln. Jenseits dessen, was generalisierende Annahmen über Städte erfassen können, beginnen für die empirischen Wissenschaften prinzipielle Probleme. Eigenschaften, die nicht vorweg bereits wieder die Gestalt von allgemeinen Parametern annehmen (Einwohnerzahl, Arbeitslosenquote, Wohnungsleerstand, Freizeitwert etc.) - das sind erstens Eigenschaften, deren Kontur man überhaupt erst suchen muss. Sie zu ermitteln oder auch das Fehlen solcher Eigenheiten festzustellen, erfordert ein zwar kontrolliertes, aber doch auch ergebnisoffenes Vorgehen. Zweitens lassen sich die singulären Züge eines Untersuchungsgegenstandes nur im Kontrast ermitteln, das heißt durch vergleichende Analyse. Dass hier etwas qualitativ anders funktioniert als dort, bemerke ich nur, wenn ich beides im Vergleich betrachte, wobei gerade explorative Vergleiche gut daran tun, nicht vorschnell ein tertium comparationis, ein allgemeines Maß anzulegen, sondern von den vorgefundenen Differenzen auszugehen. Drittens wird man, wo es um die Alltagswelten und Praxisräume ganzer Städte geht, eine Art breite Rasterfahrung vorsehen müssen, das heißt - vor der Folie grundsätzlich bekannter Sozialdaten - auch auf qualitative, und also weiche, gelebte Wirklichkeiten möglichst intensiv beschreibende Verfahren zurückgreifen müssen. "Methodenmix" lautet hier das forschungspragmatische Stichwort. Wozu dann viertens auch das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen gehört: Sowohl bei der Recherche als auch bei der Auswertung von Spuren dessen, was man aus der Gemengelage städtischen Alltagslebens als die spezifischen Eigenheiten dieser Stadt herausdestillieren mag, kann es keine Meisterdisziplinen geben, sondern verzahntes Arbeiten und wechselseitige Gegenkorrekturen sind erforderlich. Ergebnisse, die auf diese Weise erarbeitet wurden, haben, fünftens, einen in der Materialdichte deutlichen, aber doch auch feinen und fragilen Charakter. Was Städte als Sozial- und Sinngebilde unterscheidet, das sind nicht einfach Kenngrößen, so wie ein Naturstoff oder ein überschaubares physikalisch-technisches Artefakt messbare Eigenschaften hat. Man hat es vielmehr mit Qualitäten, mit Sinnphänomenen, mit Ordnungsmustern, räumlichen Verflechtungen und mit unscharfen Texturen zu tun. Eine im Vollzug kaum merkliche lokale Typik alltäglicher Praxismuster, spezifische Orientierungen, Maße eines nur-so-und-nicht-anders als vertraut Erlebbaren, womöglich sogar Momente eines städtischen spirit (vgl. Bell und de-Shalit 2011) - das sind sozial hoch aggregierte und, wenn man so will, hartnäckig abstrakte Phänomene. Wie die "Diskurse" im Reich der Sprache, die "Systeme", "Politikfelder" oder auch "Rationalitäten" in der Gesellschaft, die "Epochen" in der Geschichte (oder die Wetterlagen in der Klimaforschung) sind auch die städtischen Wirklichkeiten in ihrer sozialräumlichen und kommunikativen Dichte eine Sache von Schwellenwerten und Relationen, wenn es um die Herausbildung einer in der Abweichung erkennbaren Typik geht. Man bewegt sich im Komplexen. Als Ganzes sind städtische Verhältnisse niemals überschaubar. Weswegen man sechstens die Forschungsmethoden darauf ein-stellen muss, möglichst geschickt verteilte, in ihren Ergebnissen zu verknüpfende Suchscheinwerfer aufzustellen, um von den ausschnitthaften Belichtungen auf das Ganze, um pars pro toto auf durchgehende Muster, auf eine bestimmte Grammatik städtischer Verhältnisse zu schließen. Eine so umrissene Perspektive, die auf den Vergleich als im phänomenologischen Sinne "individualisierendes" Suchverfahren setzt, ist in der Städteforschung nicht ohne Weiteres vorgesehen (vgl. die Kritik von Ward (2010) und Robinson (2011) an den die bisherige Stadtforschung dominierenden universalisierenden Vergleichsdesigns). Entsprechend muss eine neue Heuristik gefunden werden, welche die in der Städteforschung etablierten, vorzugsweise quantitativ angelegten Vergleichsdesigns der Sozialwissen-schaften durch qualitativ-kulturwissenschaftliche Explorationsverfahren ergänzt. Wege zu einer solchen Heuristik werden mit dem vorliegenden Buch erprobt - erstmals in dieser Gründlichkeit, auf breiter Mate-rialbasis und mit den Werkzeugen verschiedener Fächer Unsere Untersuchungen zu Birmingham, Dortmund, Frankfurt am Main und Glasgow knüpfen an ein in einer lebendigen interdisziplinären Forschungsgruppe an der TU Darmstadt entwickeltes Programm zur Er-forschung städtischer Wirklichkeiten an (Berking/Löw 2005 und 2008, Löw 2010), das unter dem Stichwort "Eigenlogik der Städte" in der deutschen Stadtsoziologie für Aufregung sorgte (vgl. zusammenfassend Frank u.a. 2013), aber auch in der Politikwissenschaft aufgegriffen und aktiv weiterentwickelt worden ist (vgl. Zimmermann u.a. 2014). Mit dem Fokus, anstelle generell "städtische" oder einer "lokalen" Ebene zugeord-nete Phänomene zu betrachten, tatsächlich den je spezifischen Kontext der Städte selbst zu untersuchen - und hierbei eben jeweils auf die Züge dieser Stadt zu achten, also Auskünfte ernst zu nehmen, die auf vom Erwartbaren und Generalisierbaren Abweichendes hindeuten ? rückt in der Perspektive der "Eigenlogik" die sozialräumliche, praktische und auch diskursive Singularität von Städten in den Vordergrund. Der Begriff ist paradox und soll anzeigen, dass es sich um ein Behelfswort handelt (Gehring 2008): Benannt wird nicht die verborgene Ratio einer Stadt, sondern das Faktum, dass, neben vielen anderen, auch eigene ? und zwar in sozialräumlicher, praktischer, diskursiver Hinsicht: stadteigene ? Sinn- und Geltungsmuster vor Ort wirksam sind. Man kann dies raumsoziologisch weiterdenken und mittels einer Theorie der europäischen Stadt als "raumstrukturelle Form" unterlegen (Berking 2008). Man muss dies jedoch nicht tun, sondern kann sich auf die methodologische Pointe der "Eigenlogik"-These beschränken. Die Aufmerksamkeit richtet sich dann auf die Exploration von für diese Stadt im Unterschied zu anderen Städten signifikanten Sinnzusammenhän-gen. In diesem durchaus offenen, disziplinär nicht zwingend ganz identisch ausbuchstabierten Sinne werden die theoretischen Grundannahmen und das phänomenologische Herangehen des Eigenlogik-Ansatzes hier aufge-griffen und verfeinert. Forschungsmethodisch haben wir sie so einerseits einer Art Praxistest unterzogen; begrifflich und auch was Theoriekontexte angeht, haben sich andererseits Weiterentwicklungen ergeben. Die ...
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Interdisziplinäre Stadtforschung>
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