Beschreibung
Band 4 der Erfurter Schriften versammelt Studien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde im innerstädtischen Erfurter Kontext wie auch im Spannungsfeld des hochmittelalterlichen Herrschaftsgefüges von Mainzer Erzbistum, Kaiser und Thüringer Landgrafen. Der Erfurter Judeneid wird von Christine Magin als erster Beleg für die Anwesenheit von Juden in Erfurt vorgestellt und als ein Indiz für die Teilhabe der jüdischen Mitbürger am Wirtschaftsleben und an den Rechtsregularien der Stadt gedeutet. Die Position der sich entwickelnden jüdischen Gemeinde im begrenzten Handlungsraum zwischen Schutzversprechen der gestaltenden Mächte, interessenverzahnten Abhängigkeiten und Ansätzen einer Mitbürgerschaft in jüdisch-christlicher Kooperation gewinnt Kontur als ein pragmatisches, konfliktreiches, aber dennoch: Miteinander. Das Pogrom beendet abrupt, aber nicht unvermittelt diesen Umgang der christlichen Mehrheit mit der Minderheit. Die Studie von Christian Maria Weigelt erschließt diskursanalytisch die Quellen, benennt die Akteure und macht deutlich, dass mit der konzeptionellen Involvierung des Erfurter Rates in die Pogromplanungen interessengelenkt Machtpolitik betrieben wurde. Dies mit materiellem Ertrag: Jüdischer Grundbesitz geht nach dem März 1349 an die Stadt. Pragmatische Kooperationen im Zusammenleben zwischen Christen und Juden waren immer auch funktional besetzt. Maike Lämmerhirt beleuchtet die Aufkündigung des Schutzversprechens und damit das Ende jüdischer Ansiedlung 1454 in Erfurt. Noch in der Legitimation dieses Beschlusses konkurrieren religiös-ideologische mit fiskalisch-wirtschaftlichen Argumenten. Die Juden wurden nicht mehr gebraucht. Alle drei Beiträge thematisieren Stadtgeschichte und füllen Forschungsdesiderate. Ihr Zugewinn lässt sich im Deutungsraum dieser Texte wie auch im materialen Bestand der Stadt ausweisen: Erfurts Einzigartigkeit besteht in seiner unvergleichlichen Vollständigkeit. (Johannes Heil)