Beschreibung
Als im Jahre 1894 der Historiker Ludwig Quidde in einer Monographie Person und Schicksal des römischen Kaisers Caligula unter das Deutungsmuster Cäsarenwahnsinn stellte, übersetzte er bewusst eine historische Figur in das politische und kulturelle Klima des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Deutschland. Die Wirkung dieser Broschüre war gewaltig. Der Herrscherwahnsinn kam durch Quidde ins Gerede: Damit ist nicht nur ein flüchtiges Medienereignis umschrieben. In dem öffentlichen Diskurs, der seinen Ausgang vom römischen Scheusal Caligula nahm, werden die Schwierigkeiten und Bruchstellen einer Monarchie greifbar, die weit über den konkreten Fall hinausreichen. Diesen Diskurscharakter von Quiddes Caligula-Schrift nahmen die Autoren Karl Holl, Hans Kloft und Gerd Fesser zum Anlass ihrer historischen Studie. Der Band bietet einen dreifachen Zugriff auf das Material: die Verbindung von biographischer, historischer und zeitgenössischer Dimension. An der Schrift selbst lässt sich ein wichtiges Stück Medien- und Rezeptionsgeschichte im zweiten deutschen Kaiserreich dokumentieren, an der Person Ludwig Quiddes Biographie und Weltanschauung eines zeitgenössischen Historikers, an Wilhelm II. die Anfälligkeit und Gefährdung des monarchischen Systems, das durch den 'Caligula' eher spielerisch und doch nicht ohne Nachhaltigkeit herausgefordert wurde.