Beschreibung
Gemeinsam ist dem Skripturalen, dass es nicht auf Lesbarkeit zielt, sie aber auch nicht ausschließt. Schrift zeigt sich hier vornehmlich als Erscheinungsform der grafischen Linie und zunächst jenseits von Botschaften. Dennoch versuchen wir immer, etwas zu entziffern, einen Sinn zu finden hinter den Schreibbewegungen. Und um diese Art und Weise des Betrachtens, das sich mit dem Entziffern solidarisiert, zum Thema zu machen, nennt Friederike Feldmann die erste große Ausstellung ihrer Analysen des Skripturalen Die Autorin. Damit wird ein Fass aufgemacht, in dem sich die intellektuellen Meisterdenker der Moderne von Freud über Sartre bis hin zu Roland Barthes, Michel Foucault, Julia Kristeva oder Hélène Cixous mit unterschiedlichsten Meinungen tummeln, wobei die Fragestellung immer eine doppelte ist: Schreibt die Autorin, schreibt die Leserin? Ich denke, ein Unentschieden wäre angemessen. Die nächste Frage: Ist die Autorin Schrifstellerin oder Schreiberin? Antwort: Der Schriftsteller erfüllt eine Funktion, der Schreiber übt eine Tätigkeit aus. Und mit diesem Recht der Tätigen in Sachen Wort ist es für die Malerin Feldmann durchaus angebracht, als Autorin zu erscheinen, eine Autorin, die den Duktus der Schriftlichkeit nicht nachvollzieht, sondern ihn malend zu Bewusstsein bringt und uns damit gleichzeitig ebenfalls zur Autorin werden lässt. Wir Betrachter machen dann ein Bild, das eine Mimesis von Schriftlichkeit darstellt, ein Bild, das uns nicht nur an unsere tägliche Schreibarbeit gemahnt, an die Sorgfalt und Schnelligkeit täglicher Übungen, Mitteilungen, Kommunikati- onen, sondern gleichermaßen auch an die immer seltener praktizierte Handschriftlichkeit. Wir machen uns ein Bild, das uns Flächen als gemalte Handlungsräume, Kunst- und Literaturgeschichte, Gesten als Zeichen des Gemeinten in Erinnerung ruft. Zudem beweist info die Kraft der Abbreviaturen, der Zettel, der Notizen, womit das Ephemere der Arbeit eine weitere Verdoppelung als Kürzel, als knappste Info erfährt, die wir nicht nur kaum lesen können, sondern deren Zweck natürlich auch unklar bleibt, verweisen doch Notizen immer auf einen größeren Zusammenhang, auf etwas, das noch werden sollte. Diese überdimensionierten Kakographien verteilen sich wie hingeworfen, aber ohne sich gegenseitig zu verdecken, wollen wie zum Hohn eben gesehen und gelesen werden, Stück für Stück. Sie scheinen unruhig in schwarzweißer, mal zarter, mal deftiger Bewegung (Michael Glasmeier)