Leseprobe
Vorwort: Change Management mit den Menschen Der andauernde Erfolg des Buches Change Management spricht für sich. Mittlerweile auch in mehrere Fremdsprachen übersetzt, freuen sich die Autoren und der Verlag Jahr für Jahr über vier- bis fünfstellige Verkaufszahlen. Dies zeigt: Auf der Bühne der Unternehmensführung steht das Stück Veränderung oder auf Neuhochdeutsch Change auf dem Dauerspielplan. Es scheint mittlerweile unbestritten, dass Veränderungen nahezu überall erforderlich sind, in der Wirtschaft, in Verwaltungen, in sogenannten Non-Profit-Organisationen, in Vereinen und Verbänden. Unumstritten scheint auch, dass sich Veränderungen immer häufiger, immer schneller und insgesamt immer radikaler vollziehen. Die Frage nach dem Warum ist auch hinlänglich untersucht: Wesentliche Treiber sind die revolutionären Entwicklungen im Bereich der Informatik, Telekommunikation und Softwaretechnologien. Die Folgen dieser Entwicklungen, unter anderem die Möglichkeit, Geschäftsprozesse völlig neu zu komponieren, alles global zu vernetzen, und die zunehmende Transparenz, sind weitere Antriebe in diesem Wettlauf des Wandels. Alle können ins globale Spiel eingreifen, vorausgesetzt, sie verfügen über das notwendige Startkapital, sprich, die entsprechenden Ressourcen, die erforderliche Kompetenz, und sind bereit, das gebotene unternehmerische Risiko einzugehen. Damit haben wir aber das Thema Wandel keineswegs im Griff. Wir sind mitten im Fluss, gleichgültig unter welchem modischen Etikett es abgewickelt wird, ob Business Reengineering, Change Management, Leadership, Transition Management, Organisationsentwicklung oder ähnlichen Bezeichnungen. Nach wie vor suchen Unternehmen und Organisationen nach Unterstützung. Viele tun sich im Durch- und Umsetzen von Veränderungen außerordentlich schwer. Häufig ist die Rede davon, dass Veränderungsprojekte scheitern. Die Dunkelziffer ist hoch, einiges erfährt man nur unter der Hand. Mut und Ratlosigkeit, Machbarkeitseuphorie und Ohnmacht wechseln einander ab. Bleibt also die entscheidende Frage nach dem Wie. Worin besteht die Kunst, Veränderungsprozesse so anzulegen, dass sie eine Chance auf Erfolg haben? Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl theoretischer Hinweise und eine Menge praktisches Rüstzeug. Ist nicht schon eigentlich alles gesagt, was seriöserweise zu sagen ist? Wird diese Frage mit Ja beantwortet, dann muss die Gegenfrage lauten: Warum, wenn alles so klar ist, passieren Veränderungen trotzdem so schleppend oder scheitern gar? Wenn noch nicht alles gesagt ist, was fehlt denn wirklich? Was die allgemeine Notwendigkeit von Veränderung angeht, so ist tatsächlich vieles hervorragend beschrieben. Und dies sogar mehrfach. Auch die eigentlichen Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen und die Klippen, die es dabei zu überwinden gilt, sind wiederholt definiert worden. Allerdings heißt das noch lange nicht, dass alle verstanden haben, um was es wirklich geht, und schon gar nicht bedeutet dies, dass sich die Praxis dadurch auszeichnet, sich konsequent an diesen theoretischen Erkenntnissen auszurichten. Was aber, wenn diese Inkonsequenz nicht nur eine Folge menschlicher Bequemlichkeit wäre, sondern wenn es dafür tiefere Gründe gäbe? Ursachen, denen wir noch auf die Spur zu kommen hätten? Und genau dies ist unsere These: Es ist beileibe noch nicht alles gesagt. Um zu verstehen, warum die Umsetzung von Veränderungen bisher scheinbar so mangelhaft ist - und um zu begreifen, dass es gar nicht anders gehen kann, oder um zu lernen, wie Sie es besser machen könnten -, fehlen unserer Meinung nach einige wesentliche Aspekte. Lassen wir doch vor unserem inneren Auge die Veränderungsansätze der letzten Jahre Revue passieren. Drei Ansätze sind vor allem erkennbar: flache Hierarchien, Organisationen, die sich an den Geschäftsprozessen orientieren, und möglichst basisnahe unternehmerische Selbstverantwortung. Viele Menschen wurden in den letzten Jahren ziemlich abrupt aus der gewohnten Welt steiler Hierarchien und vertikal abgegrenzter Funktionen und aus dem generell versorgten, zugleich aber entmündigten Zustand in das freie Spiel der Kräfte von selbststeuernden Gruppen und unternehmerischer Eigenverantwortung entlassen. Drei Schlagworte sind für diesen Trend bezeichnend: Reengineering, Unternehmertum und Empowerment. Dazu wurden ganze hierarchische Stufen ersatzlos gestrichen und Organisationen wurden so umgestaltet, dass überschaubare durchgängige Verantwortungsbereiche geschaffen wurden. Und genau dies war der Kunst- und Fehlgriff zugleich. Neue Strukturen allein schaffen noch keine neuen Menschen. Viele haben die neuen Strukturen mit ihrer alten Mentalität gefüllt. Sie sind gewissermaßen mit der alten Ausstattung in die neue Wohnung übersiedelt. Die innere Einstellung hat mit dem äußeren Wandel nicht Schritt gehalten. Aus einem angepassten, sorgfältigen, über Jahrzehnte hinweg entmündigten Beamten wird nicht über Nacht ein risikobewusster, entscheidungsfreudiger Unternehmer. Wer sein Handeln bisher konsequent nur danach ausgerichtet hat, ja, ausrichten musste, keine Verfahrensfehler zu machen, der kann sich nicht so ohne Weiteres in einen Unternehmer verwandeln, dessen Hauptsorge es ist, Lösungen für anfallende Probleme zu finden - und genau dies als übergreifendes Ziel seiner Arbeit zu akzeptieren. Und, Hand aufs Herz, in den weitaus meisten Fällen wurden und werden Veränderungen nicht deshalb vorgenommen, weil man einer neuen Führungsphilosophie und einem neuen Menschenbild folgen will. Nein, der wesentliche Auslöser war und ist ein ganz anderer - nämlich Zeit- und Kostendruck. Organisationen sollen schneller, kostengünstiger und dadurch insgesamt effizienter werden. Woran dies zu erkennen ist? Ganz einfach an denen, die diese Veränderungen vorantreiben. Es sind keineswegs ethische Überzeugungstäter auf der Suche nach einer neuen, besseren Arbeitswelt, sondern es waren und sind dieselben, die - solange es erfolgversprechend und opportun war - auch mithilfe der alten Denkmodelle und Strukturen die Unternehmen auf eine möglichst hohe Leistungsausbeute hin getrimmt haben. Und die stets versucht sind, genauso rasch zu den alten Systemen zurückzukehren, wenn sie mit den neuen nicht schnell genug Erfolg haben. Das spricht nicht gegen den neuen unternehmerischen Ansatz an sich. Aber es macht verständlich, warum die Dinge so liefen, wie sie liefen. Auch herkömmliche, von klarer Hierarchie durchdrungene und gesteuerte Organisationen funktionieren besser, wenn bestimmte, an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientierte Prinzipien des Managements, der Führung und des Umgangs miteinander verbindlich eingeführt und konsequent beachtet werden. Aber so, wie in der alten Welt fast ausschließlich auf den Leistungsfaktor geachtet wurde, so wurde und wird nach wie vor die neue "enthierarchisierte Welt" nur auf einem Reißbrett entworfen, wo einzig und allein die Fragen der strategischen Positionierung, der Definition von Geschäftsprozessen und der strukturellen Gestaltung die entscheidenden Denkwerkzeuge sind. Selbstverständlich sind dies auch wichtige Fragen. Aber es fehlt die ebenso entscheidende andere Seite der Medaille: Woran orientieren sich Menschen in ihrem Verhalten - abgesehen von Strukturen? Wo, wie und unter welchen Voraussetzungen entsteht die entscheidende Energie, die Menschen dazu treibt, bestimmte Dinge tatsächlich zu wollen, sich dafür zu engagieren und mit vollem Einsatz zu kämpfen? Woher rührt die Bereitschaft und Motivation, sich selbst zu verändern? Und Menschen sind keine isolierten Einzelwesen. Sie leben und arbeiten in vielfachen Konstellationen und Gruppierungen gemeinsam mit anderen. Das kann nicht ohne Einfluss sein auf das, was der Einzelne tut und denkt. Deshalb müssen wir uns fragen: Wodurch ist das Zusammenspiel zwischen den Menschen, zwischen Gruppen und auf dem Hintergrund ihrer Institution als Ganzes bestimmt? Welche Zusammenhänge gilt es dabei zu berücksichtigen, die uns Au...