Beschreibung
Die buchstarke Jahresschrift DAS GEDICHT feiert im Herbst 2022 ihren 30. Geburtstag. In einer Zeit, in der so viele Menschen von Pandemie, Krieg und Klimawandel geplagt sind, erscheint die Jubiläumsausgabe unter dem Motto 'offen'. Es gibt nur wenige Wörter im deutschen Sprachschatz, die eine solche Bedeutungs- und Assoziationsvielfalt aufweisen wie dieses schlichte Eigenschaftswort: Wir alle kennen die offene Rechnung, die offene Wunde, das offene Geheimnis, aber auch offene Grenzen, offene Herzen, möglicherweise sogar offene Beziehungen, ganz zu schweigen von offenen Fragen, die sich im offenen Gespräch mit offenen Freunden vielleicht nicht endgültig beantworten lassen, wohl aber zu einem offenen Ergebnis führen können. Wenn man sich nur öffnet dafür.
Autorenportrait
Anton G. Leitner wurde 1961 in München geboren. Der examinierte Jurist lebt als Dichter, Herausgeber und Verleger in Weßling (Lkr. Starnberg). Er publizierte bislang vierzehn eigene Lyrikbände, zuletzt 'Wadlbeissn. Zupackende Verse Bairisch und Hochdeutsch' (Volk Verlag, 2021). Seine Gedichte wurden in neun Sprachen (u. a. Englisch, Französisch, Arabisch) sowie in diverse Dialekte (u. a. Schottisch, Londoner Cockney, Damaszenisch) übersetzt. Neben 30 Folgen der buchstarken Jahresschrift 'Das Gedicht' edierte er über 40 Anthologien, zuletzt bei Reclam 'Lichtblicke. Gedichte, die Mut machen' (2022). Leitner wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. als Editor und Verleger mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung (2016), dem Deutschen Verlagspreis 2022 des Bundes sowie mit der Verlagsprämie des Freistaats Bayern 2022. Er ist Gründungsmitglied des PEN Berlin. www.AntonLeitner.de
Leseprobe
Gerhard Rühm kleines geigenbaumärchen ein geigenbauer baute aus holz sechs flaschen. 'die sehen gut aus', sagte er stolz, 'sind ja auch aus edlem holz.' dann klopft' er sie ab. ihn wunderte sehr: die flaschen klangen nicht schön, sie klangen nur leer. da kam ein dichter die strasse daher und schüttete verslein in jeden hals - gleich klangen sie schöner jedenfalls. Ron Winkler Aus seinem Gedicht 'Finistère' [.] Alles, was mein Kind seit März aus Legosteinen baut, ist Ukraine. Ist blau, ist gelb, ist Ukraine. Blau wie Ruß und gelb wie Blut. Und so sind auch alle Elfen mit im Krieg. Alle Feen stecken tief in der Misere und alle Märchen sind von Kriegshandlungen erfasst und alle Buchstaben sind überfallen und alle Gefühle wurden überfallen und alle Gewissheit ist überfallen und Gott ist überfallen. Und das Gedicht ist überfallen. Es hat kein Alphabet für einen Gegenangriff. Nur Räume, ungewisse Räume. In denen ich nicht die Friedenstaube bin. [.] Anja Tuckermann Zwei rote Schuhe drin ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh noch ein rotgefärbter Zeh einer fehlt der guckt raus