Schattenkühle

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783990651094
Sprache: Deutsch
Umfang: 232 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21.2 x 13.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

150 Jahre nach der legendären Rettung des Wienerwaldes durch den Politiker und Umweltschützer Joseph Schöffel steht ein Teil des weltbekannten Erholungsgebiets erneut vor dem Aus. Ein »nachhaltiges« Bürogebäude in Form eines riesigen Glaskubus soll mitten in den Wald gebaut werden. Wäre da nicht das Protestcamp, das die Rodung um jeden Preis verhindern will. Doch damit hat der Josef Schöffel des 21. Jahrhunderts nichts zu tun, er soll vielmehr dafür sorgen, dass der Bau endlich über die Bühne geht. Auch sonst findet man in ihm nicht viel, das an seinen Namensvetter, den alten Schöffel, erinnert. Voller Selbstzweifel und im Grunde immer Kind geblieben, das sich noch heute von der Großmutter terrorisieren lässt, will er vor allem eins: erfolgreich sein, aber bitte möglichst bequem. Als dann plötzlich Schöffel senior auftaucht, entsteht ein Verwirrspiel, wie es im Buche steht. Ein großer, kluger Spaß, der die Verfehlungen der Gegenwart nur scheinbar überspitzt und in einen größeren Zusammenhang stellt.

Autorenportrait

Barbara Kadletz, geboren 1981, lebt und arbeitet als Buchhändlerin in Wien. Wenn sie nicht die Bücher anderer verkauft, schreibt sie an ihren eigenen Texten oder spricht über Literatur - als Moderatorin, Rezensentin oder in ihrem wöchentlichen Blog »Das Buch zum Wochenende«. Veröffentlichungen von Theaterstücken und Kurzgeschichten. 2. Platz beim FM4-Literaturwettbewerb Wortlaut 2018, Shortlist für den Buchblog Award 2019 & 2020, Bezirksschreiberin Mariahilf (Wien) 2021. Ihr Roman »Im Ruin« (2021, Edition Atelier) war Kandidat für die Hotlist 2021.

Leseprobe

Etwas stach Josef Schöffel in den Knöchel. Verärgert zupfte er eine kleine dornige Kugel aus seiner Socke. Er versuchte das lästige Ding weit wegzuwerfen, aber es blieb an seinen Fingern kleben. Energisch schüttelte er seine Hand, um die piksende Nervensäge loszuwerden. Das war gerade eindeutig viel zu viel Natur für seinen Geschmack, aber bald schon würde man auf der gesamten Anhöhe ohnehin trockenen und ebenen Boden unter den Füßen haben. Genau hier würde nämlich anstelle von Disteln, Kletten und Brennnesseln die Fassade des Glaskubus beginnen, und Natur gäbe es dann nur noch auf den dafür vorgesehenen Waldbadeplätzen, da, wo es erwünscht war, bloßfüßig über moosige Pfade zu spazieren und sich dabei zu spüren. Selbstverständlich auf eine positive Art, nicht auf diese rutschige Matsch-Art, wie es jetzt noch der Fall war. Vielleicht war dieses Winner-Wood-Office-Space-Projekt ja doch eine Verbesserung. »Weniger Matsch für den Wienerwald, dafür stehe ich mit meinem Namen, Ihr Josef Schöffel.« Er sah die Plakate schon vor sich. Dann fielen ihm die bunten Zelte direkt vor seiner Nase wieder ein. Wieso waren diese zwei Bio-Zausel überhaupt hier? Wieso konnten die nicht in der Lobau sein oder sich an irgendwelchen Verkehrsknotenpunkten ankleben, so wie all die anderen Umweltaktivisten, und gegen Straßen, Tunnel oder den Klimawandel an sich demonstrieren? Davon hätten doch alle Beteiligten viel mehr! Wie klopft man eigentlich an bei so einem Zelt?, überlegte Josef Schöffel und tappte unschlüssig herum. Fast wäre er dabei über eine der gespannten Halterungsschnüre gestolpert. Er räusperte sich. Probierte es mit einem dezenten Hüsteln, verschluckte sich dabei aber so unglücklich, dass er unangenehm laut und bellend husten musste. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Mit einem Ratsch ging der Zelteingang auf und eine Frau streckte ihren Kopf heraus. »Na, Sie sind aber früh dran heute, Herr Schöffel, guten Morgen!« Er hustete weiter.