Beschreibung
Nach Naturkatastrophen oder Unfällen und bei geplanten Ereignissen wie der Entschärfung eines Blindgängers müssen gefährdete Gebiete geräumt werden. Dann wird von den Kommunen i.d.R. auf die Strukturen und Kräfte der Hilfsorganisationen zurückgegriffen. Die Einsatz- und Führungskräfte im Katastrophenschutz müssen für solche Ad-hoc-Lagen oder geplanten Evakuierung vorab Gefährdungen ermitteln, mögliche Szenarien durchdenken und eine grundsätzliche Einsatzplanung ableiten. Dazu leitet dieses Buch an. Im Mittelpunkt stehen die Vorplanung von Räumungen bzw. Evakuierungen generell sowie im Speziellen für besondere Objekte wie Pflegeheime oder Krankenhäuser, der Transport der Betroffenen, deren Betreuung und Unterbringung sowie schließlich die strukturierte Rückführung. Dafür nötige Einsatzabschnitte wie die Transportorganisation oder die Ladezone, entsprechende Führungsmittel und die Transportkomponenten werden beschrieben. Insbesondere die Transportkapazitäten gängiger Fahrzeuge (RTW, KTW, BTW, R-Bus usw.) und der nötige Kräfteansatz für Registrierung und Verbringung der Betroffenen in die Betreuungsstelle(n) wird aufgezeigt. Auch die betreuungsdienstlichen Schritte werden mit Blick auf unterschiedlich große Lagen ausgeführt (Betreuungsstelle vs. -platz). Der Einsatzablauf einer Evakuierung bzw. Noträumung wird an realen Fallbeispielen geschildert, z.B. für Hochwasserlagen, Bombenfunde oder ein akutes Brandereignis im Krankenhaus. Ein Blick auf die Pressearbeit, die Nachbesprechung und die Aus- und Fortbildung schließt sich an. Viele praktische Tipps für die Umsetzung, zahlreiche Grafiken, ein Anhang mit Vorlagen, mit denen eine Evakuierung geordnet durchgeführt werden kann, und diverse Checklisten für die Einsatzplanung sowie Direktverlinkungen zu relevanten Quellen machen dieses Buch zu einer echten Handlungshilfe für Einsatzkräfte.
Autorenportrait
Andreas Knickmann ist Lehrbeauftragter bei der Qualitätssicherungsstelle Erste Hilfe. Zuvor war er Referatsleiter für rettungsdienstliche Führungskräfteausbildung und jahrelang als Praxisanleiter in der Notfallmedizin, Lehrbeauftragter sowie stellvertretender Schulleiter tätig. Im DRK-Kreisverband Köln e.V. übernimmt er ehrenamtlich die Funktion als Einsatzleiter und Pressesprecher. Er ist Gastdozent an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung des BBK im Bereich Katastrophenmedizin. Außerdem ist er Mitglied der Rheinischen Projektgruppe Ü-MANV, Fachberater für den Sanitäts- und Betreuungsdienst in der Mobilen Führungsunterstützung Rheinland. Seit 2016 ist er Mitglied des Redaktionsbeirats der Fachzeitschrift IM EINSATZ. Sven Neumann ist Notfallsanitäter und mitverantwortlich für die Stabstelle MANV im Landkreis Leer. Er ist Führungskraft bei der Feuerwehr und Organisatorischer Leiter des Landkreises. Er ist Mitglied verschiedener Arbeitskreise im Bereich MANV und polizeiliche Lagen. Als Gastdozent unterrichtet er an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung des BBK sowie an verschiedenen Bildungseinrichtungen im Bereich BOS-Digitalfunk, Katastrophenmedizin, Führungslehre und Rettungsdienstausbildung. Er ist Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift IM EINSATZ. Timo Subat ist Notfallsanitäter und Verantwortlicher der Stabsstelle MANV im kommunalisierten Rettungsdienst des Oberbergischen Kreises. Er leitet eine Schnelleinsatzgruppe Transportorganisation, die sich ausschließlich aus hauptamtlichen Einsatzkräften des Kreises rekrutiert. Er ist Organisatorischer Leiter Rettungsdienst und Verbandsführer. Als Gastdozent unterrichtet er an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung des BBK, der Akademie Gesundheitswirtschaft und Senioren (AGewiS, Oberbergischer Kreis) sowie bei der medi-co consulting GmbH im Bereich Katastrophenmedizin und rettungsdienstliche Führungskräfteausbildung.
Leseprobe
Auszug aus dem Kapitel 5 Transport von Betroffenen Die meisten Betroffenen können sich selbstständig aus dem Evakuierungsbereich entfernen. Infolge des demografischen Wandels und der damit zunehmend älteren Bevölkerung steigt jedoch der Anteil mobilitätseingeschränkter, pflegebedürftiger oder gar bettlägeriger Betroffener. Zu den bereits in Kapitel 4 benannten besonderen Objekten kommen noch Wohngemeinschaften mit z.B. Heimbeatmeten o.Ä. hinzu, deren Bewohner ebenso auf Hilfe beim Transport angewiesen sind. In Deutschland leben 10,2 Millionen Menschen mit einer (körperlichen oder geistigen) Behinderung sowie 15 Millionen schwerhörige oder gehörlose Personen. Das ist mehr als ein Fünftel der Bevölkerung. Auch diese Personengruppen benötigen eventuell Hilfe beim Transport bzw. durchgehende Betreuung. Für all diese Personen bietet es sich an, dass Evakuierungsrouten festgelegt werden. Auf diesen können die Betroffenen beispielsweise mit Linienbussen des Öffentlichen Personennahverkehrs oder Mannschaftstransportfahrzeugen der Hilfsorganisationen/Feuerwehren aus dem betroffenen Gebiet geholt werden. Merke: Bei den zu evakuierenden Personen aus privaten Haushalten - ausgenommen Pflege- und Seniorenheime bzw. Krankenhäuser - muss mit ca. 1 % nicht gehfähigen und transportbedürftigen Personen gerechnet werden. Beispiele: 1.000 Betroffene = 10 Transporte, 2.500 Betroffene = 25 Transporte, usw. Planung des Transportes Sowohl für besondere Objekte wie für die normale Wohnbevölkerung müssen zunächst folgende Fragen geklärt werden: Wie viele Betroffene können selbstständig gehen, brauchen jedoch Hilfe (z.B. mit Rollator, bei Orientierung)? Wie viele Betroffene sitzen in einem Rollstuhl? Wie viele Betroffene sind auf einen Transport im Sitzen oder Liegen angewiesen? Wie viele Betroffene benötigen medizinische Unterstützung oder sind infektiös? Zur Ermittlung bietet sich der Vordruck Übersicht Betroffene im Objekt in der Anlage (Kap. 14.2) an. Als Objekt können hier Bereiche mit mehreren Straßen und Wohnhäusern im betroffenen Gebiet oder auch einzelne Straßenzüge festgelegt werden. Auch einzelne Wohngebäude können ein Objekt darstellen, wenn es sich um ein Hochhaus oder um eine große Wohnanlage handelt. Auf Basis der Übersicht können nun entsprechende Transportmittel geplant werden. Betroffene, die noch selbstständig gehen können, aber Hilfe benötigen, können mit Mannschaftstransportfahrzeugen (MTF) oder mit Bussen transportiert werden. Diese Fahrzeuge halten Hilfsorganisationen oder Feuerwehren vor bzw. kann die Bereitstellung mit ÖPNV-Unternehmen vereinbart werden. Anders sieht es aus, wenn Betroffene in einem Rollstuhl sitzen. Hier muss unterschieden werden, ob es sich um einen normalen Rollstuhl oder um einen Elektro- bzw. Pflegerollstuhl handelt. Für den Transport kommen nur spezielle Fahrzeuge für mobilitätseingeschränkte Personen in Betracht. Bei den Fahrzeugen (umgangssprachlich Behindertentransportwagen, BTW) wird der Betroffene über eine Rampe oder Hebebühne ins Innere des Fahrzeuges verbracht. Der Vorteil solch eines Fahrzeugs ist, dass der Betroffene nicht umsteigen muss, sondern in seinem eigenen Rollstuhl gesichert bzw. transportiert werden kann. Beachte: Häufig werden Rettungsmittel (RTW, KTW) für den Transport von Rollstuhlpatienten oder mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt. Diese sind jedoch völlig ungeeignet. Für den Transport in einem RTW/KTW muss der Betroffene zunächst umgelagert werden, und eine Mitnahme des Rollstuhls ist häufig nicht möglich (Ladungssicherung). Rettungsmittel (u. a. KTW, RTW) bieten sich stattdessen für Sitzend- oder Liegendtransporte an; vor allem auch, wenn der Betroffene medizinische Hilfe benötigt. Ebenfalls kommen Rettungsmittel beim Transport von Infektionskranken zum Einsatz. Die meisten Fahrer von Rollstuhlbussen verfügen nicht über eine medizinische Qualifikation, wie z. B. Rettungshelfer, -sanitäter, -assistent oder Notfallsanitäter. Bei intensivpflichtigen Patienten muss geprüft werden, ob für diese nicht spezielle Intensivtransportwagen (ITW) notwendig sind.