Beschreibung
Geistertanz in Berlin ist die unwahrscheinliche Liebeserklärung an die Stadt von einem in Amerika geborenen Sohn deutschsprachiger jüdischer Flüchtlinge. Zeitweilig in einer Villa an Berlins größtem See angesiedelt, stellt sich Wortsman den parallel stattfindenden Spuk zweier Gruppen von Geistern vor: Jene der ins Exil verbannten ehemaligen Besitzer des Anwesens, ein jüdischer Bankier und seine Familie, und jene, die das Anwesen übernahmen - der Finanzminister des Führers und seine Entourage, während auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, in einer anderen Villa, eine weitere Ansammlung von Geistern damit beschäftigt ist, die Endlösung zu planen. Wo einst eine Mauer Ost und West trennte, ist die Stadt heute noch immer von unsichtbaren Grenzlinien durchzogen, auf denen der Autor mit einem Auge für aufschlussreiche Details und einem Ohr für denkwürdige Gespräche mit Straßenmusikanten, Trinkkumpanen, Anwälten, Bankern, Politikern, einem Taxifahrer, einer Prostituierten und einem Sternekoch wandelt, mit Gastauftritten von Henry Kissinger und dem Schatten von Marlene Dietrich. Die englische Ausgabe von Ghost Dance in Berlin wurde 2014 mit einem Independent Publishers Book Award (IPPY) ausgezeichnet.
Autorenportrait
Peter Wortsman lebt als Autor in New York. Er ist Sohn österreichisch- jüdischer Emigranten und wurde zwei-sprachig in Deutsch und Englisch erzogen. Wortsman ist auch literarischer Übersetzer aus dem Deutschen ins Englische von Chamisso, Gebrüder Grimm, Heine, E.T.A. Hoffmann, Kafka, Kleist, Musil, und Mynona. Wortsman erhielt den 1985 Beard's Fund Short Story Award und den 2008 Geertje Potash-Suhr Prosapreis of the Society for Contemporary American Literature in German. Er war Fulbright and Thomas J. Watson Foundation Fellow, 2010 Holtzbrinck Fellow an der American Academy in Berlin und im Sommer 2016 Stipendiat der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien. 2019 erschien "Stimme und Atem / Out of Breath, Out of Mind - Zweizüngige Erzählungen" bei PalmArtPress. Seine Erzählungen wurden in den Zeitschriften MANUSKRIPTE, SCHREIBHEFT, CICERO, DIE WELT, DER TAGESSPIEGEL und DIE ZEIT veröffentlicht. Wortsmans Theaterstück "Der tätowierte Mann" wird am Deutschen Theater in Göttingen aufgeführt.
Leseprobe
Es ist eine Stadt in dauernder Bewegung, genau so wie auch mein New York, die sich immer wieder neu erfindet in steter Veränderung: nach dem Aufstieg vom Provinznest zum preußischen Regierungssitz wurde Berlin von Bismarck zur kaiserlichen Biedermeier-Hauptstadt der Hohenzollern ausgebaut, nur um nach dem plötzlichen Zusammenbruch des Kaiserreiches als kurzer Fiebertraum von der Moderne und als Kapitale der Avantgarde in der Weimarer Republik zu erscheinen. Die nächste Veränderung sollte Berlin zur grandiosen Hauptstadt des Tausendjährigen Reiches machen, genannt Germania, nur um ein paar Jahre später in einen besetzten und geteilten Schutthaufen an der Bruchlinie der Geschichte verwandelt zu werden, danach wiederbelebt in einem schizoiden Zustand des Nachkriegsdualismus, 1989 wiedervereint und nun nach dem Fall der Mauer abermals neu definiert. Wie New York ist "Berlin" für mich nicht nur ein substantivischer Eigenname, sondern eher ein "Eigenverb", und zwar ein transitives Verb, mit einem massiven "transitiven" Verkehrssystem, das tatsächlich funktioniert, sich immer weiter entwickelnd, auch wie ein Bumerang zurückwirkend, und "sich berlinernd" in die Stadt von morgen verwandelnd.