Beschreibung
Ein Düsseldorfer Galerist macht Hans-Christian Dany das Angebot, gegen einen Pauschalbetrag zwölf Texte zu schreiben, die online veröffentlicht werden sollen. Ohne Vorgabe von Thema oder Umfang. Der Auftrag mutiert zur literarischen Reise in den Zerfall einer Familie, der sich als Symptom für das Leben in einem kranken Land der Nachkriegsgeschichte erweist. Dany schreibt über sein Erbe im juristischen und im übertragenen Sinne, über buchhalterische wie emotionale Forderungen und Verbindlichkeiten und über den eigenen (fast unglaublichen) Weg vom Künstler und Schriftsteller zum verschuldeten Firmenerben, unfreiwilligen Arbeitgeber und 'Minusmillionär'. Die Reflexionen zwischen Kunst und großem Geld sind nicht nur autobiografische Essays, sondern auch Versuche einer eigenen Standortbestimmung im ausklingenden Neoliberalismus. Eine ironische Wende nimmt das Projekt über Schulden und Schuld, als sich abzeichnet, dass der Galerist die versprochenen Honorare möglicherweise nicht zahlen wird, und sich die Frage, was man (und wer?) sich leisten kann, auf wieder andere Weise stellt. Verlassen vom Auftraggeber, beginnt der Text, seine eigene Dynamik zu entwickeln.
Autorenportrait
Hans-Christian Dany, geboren 1966, lebt als Künstler in Hamburg schon lange im Urlaub von dem, was er tun soll. Wie viele, die nicht wissen, wohin mit sich, schreibt er. Manchmal werden daraus Bücher. Bei Edition Nautilus erschienen 'Speed. Eine Gesellschaft auf Droge' (2008, Neuauflage 2012), 'Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft' (2013), 'Schneller als die Sonne. Aus dem rasenden Stillstand in eine unbekannte Zukunft' (2015) und 'MA-1. Mode und Uniform' (2018).
Leseprobe
Seit mein Sohn Maku zur Schule geht und gelegentlich sagen muss, was sein Vater arbeitet, habe ich mich mit der von ihm gewählten Bezeichnung Schriftsteller abgefunden. Es braucht einen Begriff, da er nicht antworten kann, der Vater säße in der Kuche in einem großen Durcheinander und tippe manchmal etwas. Wenn Formulare nach meiner Tätigkeit fragen, schreibe ich Autor, obwohl ich das Wort nicht mag, da es nach Autorität klingt. Persönlich bleibe ich lieber beim Verb. Die Sache mit dem Schreiben ist alles andere als sicher. Heute schreibe ich, morgen ist es vielleicht schon vorbei damit. Nein zu sagen und nichts zu werden schien mal eine Möglichkeit. Als ich jung war, konnte ich mir auch leichter in die Tasche lugen. Mit den Jahren wurde das Nein komplizierter. Heute schwingt zwar noch ein Nein mit, wenn ich schreibe, ubertönt wird es aber von einem Ja. Ja, ich will schreiben. Ich sage uberhaupt immer öfter Ja zu dem Leben, zu dem ich oft Nein gesagt habe. Die Vorstellung, nichts zu werden, hängt mir aber noch nach. Regelmäßig tagträume ich, eine Bar zu kaufen, heißt es doch: Wer nichts wird, wird Wirt. In meiner Vorstellung von einem Leben als Barbesitzer komme ich am fruhen Abend in das Lokal, fulle etwas auf und ordne den Kassenbestand. Danach gehe ich zu Bett. Morgens um sechs, wenn die Bar bald schließt und ich schon wieder wach bin, unternehme ich den zweiten Kontrollgang. Während ich mir dabei zusah, wie meine Hände das im Schlaf verdiente Geld zählten, dachte ich plötzlich, ich könnte uber meinen Vater schreiben.