Beschreibung
Dieses Buch zeigt eine andere, freundliche Geschichtslinie der Deutschen - als Träger einer reichen politischen Kultur der Freiheit, des Universalismus, einer unglaublichen Vielfalt politischer Institutionen im Wettbewerb und dazu einer großen Freiheitsliteratur. Von der germanischen Frühzeit bis heute schildert uns der Autor eine herrliche Vielfalt: eine großartige genossenschaftliche Bauernkultur, die Fülle freier Städte, der Reichtum an politischer Bildung bis hin zur viel gescholtenen 'Kleinstaaterei' mit ihren Fürstentümern, Abteien und Bistümern (als 'Gottesstaaten'), sogar Reichsdörfern und 'Frauenstaaten'; auch die Persönlichkeitsidee der deutschen Klassik und die einzigartige liberale Ordnungslehre des 20. Jahrhunderts sind Höhepunkte deutscher Freiheitsgeschichte. Es mangelt auch nicht an Freiheitshelden: von Arminius bis Ludwig Erhard. Die preußische Machtstaatsidee war nur eine in einem Kosmos anderer politischer Möglichkeiten und ist am Ende furchtbar gescheitert. Jede Nation, auch eine Kulturnation, braucht aus Gründen ihres Selbstverständnisses, ihrer Selbsterhaltung und ihres Identitätsbewusstseins eine 'große Erzählung'. Warum nicht eine große Erzählung von Freiheit und Wettbewerb in der deutschen Geschichte? Der Autor wirbt für einen 'liberalen Patriotismus', in scharfem Kontrast zum Irrlicht eines übersteigerten zentralistischen Nationalismus. Er verleugnet nicht, dass er von der liberalen Lehre der österreichischen Schule der Ökonomie, die auch eine Sozialphilosophie ist, inspiriert wurde. Ein Buch, auf das historisch verwurzelte Freunde der Freiheit gewartet haben mögen. Nun ist es da.
Autorenportrait
Professor Dr. Gerd Habermann hat nach interdisziplinärem Studium an den Universitäten Frankfurt/M., Wien, Tübingen und Konstanz mit einer Dissertation zur preußischen Sozialgeschichte abgeschlossen. Er war danach Assistent des Historikerverbandes in Heidelberg, dann am Soziologie-Lehrstuhl von Prof. Friedrich H. Tenbruck. Bei der freihändlerischen Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (heute: Die Familienunternehmer) baute er ein 'Unternehmerinstitut' auf und leitete es bis 2010. Habermann ist Initiator und geschäftsführender Vorstand der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft. Seit 2003 ist er Honorarprofessor an der Universität Potsdam. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören: Der Wohlfahrtsstaat. Die Geschichte eines Irrwegs (3. Aufl. 2013) und Freiheit oder Knechtschaft? Ein Handlexikon für liberale Streiter (2011).
Leseprobe
Warum dieses Buch? Eine deutsche Geschichte als Geschichte der Freiheit: Ist das nicht abwegig? Gelten die Deutschen nicht vor allem als das Volk der Staatshörigkeit, der Staatsmetaphysik, der knechtischen 'Freiheit zu gehorchen' ('libertas oboedientiae')? Uferte der Weg der Deutschen nicht in den Totalitarismus des 20.Jahrhunderts und in die 'deutsche Katastrophe' von 1945 aus? Gibt es nicht Kontinuitäten von Karl dem Großen über die mittelalterlichen Kaiser, dann das großstaatliche Preußen mit Friedrich dem Großen und Bismarck bis zum 'Führer'? (So sahen es die nationalsozialistischen Historiker.) Und sind es nicht deutsche Philosophen und Ökonomen gewesen, die den Macht- ebenso wie den Wohlfahrtsstaat verherrlicht haben (Hegel, Treitschke, Adolf Wagner, Schmoller) und den utopischen Sozialismus begründeten (Rodbertus, Marx, Engels)? Dieses Buch will eine andere Geschichtslinie der Deutschen zeigen - als Träger einer reichen politischen Kultur der Freiheit, des Universalismus, einer fast unglaublichen Vielfalt politischer Institutionen und dazu einer reichhaltigen Freiheitsliteratur. Die Deutschen waren nirgends und zu keiner Zeit nur ein Land des obrigkeitstreuen Gehorsams, einer 'terra oboedientiae'. Ihr Hauptteil hatte historisch einfach 'Pech', als eine ungünstige politische Konstellation im 20.Jahrhundert eine Entwicklung sich durchsetzen ließ, die schon bei dem Wegdenken einzelner Faktoren - wie zum Beispiel der Weltwirtschaftskrise nach 1929 oder der Dämonie Adolf Hitlers - auch weniger unglücklich hätte verlaufen können; selbst noch in jenem späten Juli 1944, als einzelne Mutige sich auf den Weg machten, den 'Führer' in die Luft zu sprengen (nach bis dahin etwa 40 ähnlichen Bemühungen). Nationalpreußische Historiker, von Heinrich von Treitschke und Gustav Droysen an bis zur Gegenwart, hatten es sich angewöhnt, die deutsche Geschichte bis zum sieghaften Aufstieg Preußens als politische Verfallsgeschichte mit dem Partikularismus und den Spaltungen als deutschem 'Krebsübel' zu schildern, seine Dezentralisation und sein 'Weltdeutschtum' (Thomas Mann) zu verdammen. In der Tat war der repräsentative Deutsche, auch unserer Klassik, gleichzeitig und vor allem mangels eines nationalen Zentrums betonter ideeller 'Weltbürger', wie Goethe, Schiller, Kant oder Wilhelm von Humboldt. Er entbehrte bis ins 19.Jahrhundert eines politischen Mittelpunktes und hatte das bis zu den napoleonischen Kriegen nur selten vermisst. Es geht in diesem Buch darum, dazu beizutragen, dass sich in Betrachtung der anderen Seite der deutschen Geschichtslinie, des Polyzentrismus und Wettbewerbspluralismus, bei den historisch entwurzelten Deutschen in ihrem Hauptstaat ein bescheidener liberaler Patriotismus wieder entfalten kann - ein Patriotismus, der im Unterschied zum Hypernationalismus des 19.Jahrhunderts, nicht erkauft ist mit der Herabsetzung anderer Nationen oder einem hybriden Vormachtsstreben, ein Patriotismus also im Sinne Herders. Er ist, wie Friedrich Nietzsche einmal schrieb, nur ein 'Wohlgefühl des Baumes an seinen Wurzeln'. Wie Herfried Münkler in unseren Tagen bemerkte, braucht jede Nation aus Gründen ihres Selbstverständnisses eine 'große Erzählung', Mythen und Symbole, die ihren Zusammenhalt und ihr Überleben sichern. Zu den Elementarbedürfnissen der Menschen gehört eben auch ein tiefes Verlangen nach Zugehörigkeit. Warum nicht die große Erzählung von der Freiheit und dem Wettbewerb in der deutschen Geschichte? Wir zeigen, dass es in der deutschen Geschichte ('deutsch' als kultureller Begriff) wunderbare Beispiele von Nicht-Zentralisation der Macht gab: ein Freiheitsbewusstsein unabhängiger Bauern und Bürger; genossenschaftliche Bauernrepubliken; stolze, konföderierte Städte; um Wohltaten für ihre Bürger konkurrierende Kleinstaaten mit liberal 'aufgeklärten' Herrschern, ja sogar 'Frauenstaaten'. Jeder Libertäre wird staunend zur Kenntnis nehmen, dass es sogar unabhängige Dörfer, ja einzelne freie Bauernhöfe, auch Hunderte von kleinen Ritterstaaten gab, deren Vielzahl allein die Macht jedes Einzelnen reduzierte, von politisch selbstständigen Priesterstaaten (Bistümern, Klöstern und Abteien) abgesehen. Neben der institutionellen Vielfalt und dem politischen Wettbewerb gab es auch einen nicht weniger imponierenden religiösen und geistigen Pluralismus. Deutsche - Martin Luther - waren es, die das Glaubensmonopol der römischen Kirche durch eine religiöse Sezession durchbrachen. Ihr Beitrag zum liberalen Denken ist bedeutend: Kants Begründung des freien Rechtsstaates, von Humboldts, Schillers, Goethes liberale Schriften machten Weltgeschichte. Nirgends ist eine so schöne Theorie der individuellen Persönlichkeit entwickelt worden. Besonders stolz können die Deutschen auf ihre institutionelle Untermauerung der Freiheit, auch 'jenseits von Angebot und Nachfrage' (Wilhelm Röpke), sein: die Lehren des 'Ordo-' und 'Neoliberalismus', die Entdeckungen der Österreichischen Schule der Ökonomie (Böhm-Bawerk, Hayek, Mises). Für ihren Abfall von den Grundsätzen individueller Freiheit und ihrer überspannten Machtpolitik haben die Deutschen furchtbar büßen müssen: mit der Zerstörung ihrer alten Städte, der Abwanderung oder Vernichtung großer Teile ihrer Elite, der Vertreibung von Millionen aus seit Jahrhunderten angestammten Siedlungsgebieten, der territorialen Verkleinerung, der Teilung mit 40 Jahren totalitärer Fremdherrschaft im Osten des Landes. Und am allerschlimmsten: dem brennenden Gefühl der Schande und der Scham über Untaten, die man, bevor sie geschehen sind, in einer so hochstehenden Nation für unvorstellbar gehalten hatte. Bis heute wirkt auch bei Jüngeren dieser Absturz traumatisierend nach, verhindert ein ruhiges politisches Selbstbewusstsein und treibt in utopische Mythen. Dies wird verstärkt durch die Mode der 'Dekonstruktion' (Foucault, Derrida, Deleuze u.a.), welche die Menschen 'allein in der Welt zurücklässt. Sie haben keinen Anker mehr und keine Beziehung zu einem Ort und sie werden so zum Opfer von jeder Schwärmerei und jeder vorübergehenden Mode, egal wie krank oder gutartig diese auch sein mögen. Unter diesen Umständen ist es nicht weiter überraschend, wenn Menschen infolge solcher Schwärmereien in den wütenden Tonfall verfallen, der die Auseinandersetzungen unserer Zeit in besonderem Maße prägt. Die Raserei entsteht nicht allein durch die jeweils aktuelle Wut, sondern durch ein tiefes Gefühl des nirgendwo Hingehörens, durch das Empfinden, dass die Welt, in der man sich befindet, nicht so ist, wie es einen gelehrt wurde' (Douglas Murray, Vorwort zu Scruton, 2019). Dies gilt nicht nur, aber besonders im unruhigen Deutschland. Die Geschichte der Freiheit in Deutschland insgesamt ist bisher ungeschrieben, obwohl es viele lesenswerte Gesamtdarstellungen der deutschen Geschichte gibt, worunter ich Veit Valentin, Michael Freund, Pierre Gaxotte, Joseph Rovan und besonders Jürgen Mirow hervorheben möchte. Wir geben für eine solche Geschichte hier erste orientierende Gesichtspunkte. Lord Actons universale Geschichte der Freiheit blieb leider ein Torso: 'das größte ungeschriebene Buch der Geistesgeschichte'. Unsere Ambition ist bescheidener. Besonderer Dank gilt einigen lebenden und verstorbenen Autoren, da sie wichtige Perspektiven für die freiheitliche Aufarbeitung des historischen Stoffes lieferten: Wilhelm Röpke, Hans Maier, Friedrich A. von Hayek, Adolf Gasser, Benedetto Croce, Bertrand de Jouvenel, Robert Nef, Peter Blickle, Roland Vaubel. Auch meinen Freunden im liberalen Umkreis der Hayek-Gesellschaft verdanke ich manche Anregung: Peer-Robin Paulus - mein ständiger Gesprächspartner - sei genannt, auch Detmar Doering, zurzeit in Prag, Sascha Tamm, Hardy Bouillon und Gerhard Papke. Urfreund Klaus Bungert hat das Buch einer strengen orthografischen Durchsicht unterzogen. Wilhelm Wilderink (Potsdam) verdanke ich den Hinweis auf die 'Frauenstaaten'. Alfred Schüller, Marburg, hat viele bereichernde Anmerkungen gemacht. Wir haben uns bemüht, in ...