Die Geister der Weihnacht gehen in Rente

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783948592295
Sprache: Deutsch
Umfang: 276 S., 4 farbige Illustr.
Format (T/L/B): 1.9 x 19 x 12.5 cm
Auflage: 1. Auflage 2020
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wer kennt sie nicht: Die Geister der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht, die Mitte des 19. Jahrhunderts Ebenezer Scrooge heimgesucht und auf den rechten Weg zurückgeführt haben? Mehr als einhundertsiebzig Jahre sind seither vergangen und die Geister sind müde. Da es aber noch immer sehr viele Menschen gibt, die den Geist von Weihnachten mit Füßen treten, suchen sie Nachfolger für ihr Lebenswerk. Auf die Stellenausschreibung bewerben sich jüngere, moderne Geister, die alle persönliche Eigenarten und Probleme mitbringen. Werden die drei Alten geeignete Auszubildende finden und endlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen können?

Autorenportrait

Haike Hausdorf wurde am 6. April 1973 in Münster/Westfalen geboren. Schon als Kind steckte sie ihre Nase gern in spannende oder lustige Bücher und begann mit elf Jahren ehrenamtlich in der Pfarrbücherei mitzuarbeiten.Als Teenager entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Briefeschreiben und hatte zwischenzeitlich Brieffreunde auf fünf Kontinenten, die sie teilweise in den folgenden Jahren sogar besuchte.Nach dem Abitur, ihrer Ausbildung und einem Auslandspraktikum in Südenglang lebte und arbeitete sie zunächst in Düsseldorf, später mit ihrer Familie in Freiburg und Schleswig-Holstein.Inzwischen wohnt die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau mit ihrem Mann und drei Kindern in Süddeutschland und schreibt seit 2016 Geschichten für große und kleine Leseratten. Ihre Schwerpunkte liegen bisher in den Bereichen Humor, Romantik, Fantasy und Kinderbuch, aber sie probiert auch gerne andere Genres aus.

Leseprobe

Die erste Nacht Zu spät! Wieder einmal zu spät. Tardy schwebte in Höchstgeschwindigkeit durch die nächtlichen Straßen. Seine grauen Jogginghosen und das weite Sweatshirt flatterten im Wind. Als er den gewalti-gen Gebäudekomplex des Tower of London vor sich auftauchen sah, verklang der letzte Glockenschlag der umliegenden Kirchen. Die Geisterstunde hatte begonnen und er würde es nicht mehr rechtzeitig in die Kellerge-wölbe schaffen. Rasant durchquerte er den Burggraben und visierte ungebremst die massive Außenmauer an. Zu seiner Rechten schimmerte das Wasser der Themse im fahlen Mondlicht. Zur Linken blitzte das künstliche Eis der vorübergehend errichteten Schlittschuhbahn. Lautlos passierte Tardy die uralten Steine und näherte sich seinem Ziel. Endlich in den Kellerverliesen unter-halb des Towers angekommen, schnaufte er aus dem letzten Loch. Natürlich war er sich im Klaren darüber, keinen allzu ästhetischen Anblick zu bieten. Verflixt und zugegeistert! Warum nur hatte er verschlafen? Im Gewölbe angekommen, richteten sich zwölf Au-genpaare auf Tardy, der eiligst das farblose Sweatshirt glatt-strich und sich unbeholfen aufrichtete, um seine pummelige kleine, Gestalt imposanter wirken zu lassen. Die Geister der Weihnacht schwebten an der Stirnseite des Raumes und blickten ihn fragend an. Neun andere, die einen Halbkreis bildeten, musterten Tardy neugierig, belustigt oder kritisch. Ein leises Kichern ertönte, eben-so ein abfälliges Schnauben. Er verzog das bleiche Gesicht zu einem unsicheren Lächeln. "'Tschuldigung, bin etwas spät." "Was du nicht sagst, junger Mann." Der Bass des bär-tigen Alt-Geistes ließ Tardy zusammenzucken. Er passte hervorragend zur imposanten Statur des Sprechers, wo-durch sich der Junge noch kleiner vorkam, als er ohne-hin war. Allerdings wirkte der Riese keineswegs beängs-tigend, sondern eher freundlich. Er trug ein weites, bo-denlanges grünes Gewand, unter dem seine bloßen Füße hervorlugten. Tardys Blick wanderte von den Zehen über das rostzerfressene Schwert, das der Geist um die Taille gegürtet hatte, weiter zur nackten Brust, die zwi-schen grünem Stoff und weißem Pelzbesatz zu sehen war. Zuletzt betrachtete der Neuankömmling das von dunkelbraunen Locken und Bart umrahmte, freundliche Gesicht sowie die ungewöhnliche Kopfbedeckung: ei-nen Stechpalmenkranz, der mit glitzernden Eiszapfen besetzt war. In der Hand trug der Riese eine brennende Fackel in Form eines Füllhorns. Mit amüsierter Stimme fuhr er fort: "Hättest du die Güte, dich einzureihen, damit wir beginnen können?" Tardy erwachte aus seinen Tagträumen. "Verzeihung." Schnell huschte er an den Rand des Halbkreises. Neben ihm ertönte erneut ein Kichern, das einem Schlaks mit wirrem, rötlichem Haar und komplett grüner Kleidung entschlüpfte. Er überragte den gemütlichen Tardy um mindestens drei Fuß, unabhängig davon, wie sehr sich dieser auch in die Höhe reckte. "Cooler Auftritt", mur-melte der Rotschopf und verneigte sich, wobei er in Ermangelung eines Hutes kurz den Kopf vom Hals hob. Rechts neben dem Riesen erblickte Tardy eine stattli-che, schwarzgekleidete Gestalt, deren Gewand den Kopf, das Gesicht und den Körper verbarg. Seine Dun-kelheit strahl-te auf die Umgebung ab und schien sogar das flackernde Licht der Fackel zu verschlucken. Ehr-furchtgebietend hob der Geist eine Hand. In der ihn umgebenden Finsternis wirkte sein bleicher Unterarm noch heller und die Geste ließ die Runde verstummen. Kein Kichern, kein Atmen, nicht einmal das Rascheln der Kleidung war zu hören. Der linke Geist ergriff das Wort. "Willkommen, meine lieben, jungen Freunde! Wir sind erfreut, euch so zahl-reich zu erblicken." Tardy blinzelte in seine Richtung. Der Sprecher schien Kind und Greis in einem zu sein: eine ungewöhnliche Erscheinung - keine Frage. Er hatte die Größe eines Knirpses, aber die muskulösen Arme und kräftigen Hände eines Mannes. Sein faltenloses, jugendliches Gesicht stand wiederum im absoluten Ge-gensatz zum langen schlohweißen Haar