Beschreibung
Prolog Die Nacht senkte sich über das Watt vor St. Peter-Ording. Ein wenig Restlicht vom Tage ließ den Dunst fast wie Nebel und ein bisschen gespenstisch aussehen - doch das störte ihn nicht. Am besten konnte er seinen düsteren Gedanken entfliehen, wenn er über den freigelegten Meeresboden marschierte - vorzugsweise nachts in aller Stille und ganz allein. Er war dann eins mit der Umgebung, hörte lediglich ein paar späte Vögel, das sanfte Plätschern in den Prielen sowie das leicht schmatzende Geräusch, das jeder seiner Schritte im Schlick hinterließ. Er spürte die leichte Brise im Gesicht, schmeckte das Salz des Meeres auf seinen Lippen. Vor einigen Stunden hatte das Wasser sich zurückgezogen. Schon bald würde es wiederkehren, die Spuren mit sich nehmen, so dass aus dem Watt erneut der makellose Boden der Nordsee wurde. Gleiches geschah bei diesen Wanderungen sonst auch mit seiner Seele, doch heute funktionierte es nicht. Er fühlte sich angespannt; die Gedanken kreisten um den Verlust. Die Wunden, die nicht heilen wollten, ließen ihn immer wieder auf Rache sinnen. Würde ihm das endlich die ersehnte Ruhe geben und seinen Seelenfrieden zurückbringen? Die Zweifel überwogen. Einige Möwen schrien im schwindenden Licht. Wie er den Norden mit all seinen Facetten liebte! Die Geräusche, die Gerüche, die Farben. Das Licht des Tages war jetzt verschwunden, doch hell leuchtete der Mond über das Watt. Vereinzelte Wolken warfen Schatten, in denen die Umgebung fast schwarz aussah. Tief sog er den Duft des Meeres in seine Lungen, unter seinen Füßen knackte eine Muschel. Sein Blick streifte kurz den Boden und nahm die vertrauten gedrehten Sandtürmchen der Wattwürmer wahr. In einer Mulde hatte sich eine Pfütze gebildet. Ein Geräusch riss ihn aus den flüchtigen Betrachtungen seiner Umgebung. Er lauschte, ob es sich wiederholte. Angst empfand er nicht. Stille bis auf ein leichtes Rauschen des Windes, der hier nur selten einschlief. Nein, nichts Ungewöhnliches! Er ließ seinen Blick schweifen und erkannte, dass er sich bereits weit vom Strand von Sankt Peter-Ording entfernt hatte. Klein schienen die imposanten Pfahlbauten im matten Mondschein. Was für eine herrliche Nacht! Wäre sie doch jetzt bei ihm. Jetzt! Mit ihr hätte er es vollends genießen können. Bitter wie Galle drängten sich die düsteren Gedanken wieder in den Vordergrund. Sie war so stark gewesen, so optimistisch, so kämpferisch. Und hatte gesiegt - bis zu jenem verhängnisvollen Tag, der alles veränderte. Wieder hörte er ein Knacken. Er schaute sich um. Da der Mond hinter einer dicken Wolke verschwunden war, erkannte er seine Umgebung nur schemenhaft. Hatte sich dort etwas bewegt? Angestrengt versuchte er, die Dunkelheit zu durchdringen. Als er den Schatten sah, war es bereits zu spät. Im nächsten Moment spürte er den Schlag hart auf dem Hinterkopf. Ein geradezu absurder Schmerz erfasste erst seinen Kopf, bevor er dann die Wirbelsäule hinabzog. Das kalte Wasser des Priels drang durch seine Kleidung, dann wurde alles um ihn herum schwarz.
Autorenportrait
Stefanie Schreiber ist Fach- und Krimiautorin. Ihre kleine Reetkate steht bei St. Peter-Ording und liegt ihr genauso am Herzen wie das Schreiben ihrer Regional-Krimis. Die Verbundenheit sowohl mit dem Landstrich als auch mit der Mentalität der Küstenbewohner lässt sie in ihre Romane einfließen. Inspiriert durch ihr Journalismus-Studium veröffentlicht sie seit 2014 erfolgreich Praxis-Ratgeber zum Thema Vermögensaufbau mit Ferienimmobilien. 2019 erschien ihr Krimi-Debut. www.StPeterOrding-Krimi.de