Das Spiegelbild

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783939478225
Sprache: Deutsch
Umfang: 428 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 20 x 13.6 cm
Lesealter: 14-99 J.
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Der Schreck fährt Christian in die Glieder als er wie gewöhnlich morgens vor dem Spiegel steht und sein Spiegelbild etwas völlig anderes macht, als er selbst. Das wiederholt sich einige Tage, dann ist sein gegenüber im Spiegel verschwunden. Und während er sich unsterblich verliebt, entwickelt sein Spiegelbild ein sonderbares Eigenleben. Es geschehen grausame Dinge in seiner Stadt, für die er verantwortlich gemacht wird

Autorenportrait

Der Autor, Dieter Janz, wurde 1954 in Wiesbaden geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Nach dem Abitur studierte er in Mainz Medizin und übte danach lange den ihn erfüllenden Beruf als Arzt aus; zunächst in verschiedenen Kliniken, zuletzt als frei praktizierender Allgemeinmediziner im Siegerland. Zum Schreiben von Büchern fühlte er sich erst recht spät berufen, dafür aber mit umso mehr Enthusiasmus und Engagement. Er ist seit fast 30 Jahren mit seiner Muse Tamara glücklich verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder, Patrick und Patricia. Mehr über den Autor bei www.autorenprofile.de

Leseprobe

Als er am nächsten Morgen spät erwachte, war das wohlige Gefühl vom Vorabend er­heblich schlechteren Empfindungen gewichen. Sein Kopf dröhnte, als ob ein Krad im Schlafzimmer gestartet würde, zusätzlich schien jemand mit zwei Hämmerchen gegen seine Schläfen zu pochen. Zu allem Überfluss erfasste ihn eine Übelkeit, gepaart mit einem säuerlichen Geschmack im Mund. Er hatte am Abend die Vorhänge nicht zugezogen, so dass jetzt helles Licht den Raum durchflutete. Normalerweise empfand er dies als sehr angenehm, aber heute blendete ihn das Licht auf unangenehme Art und Weise. Er kroch langsam aus dem Bett und bemerkte, dass er es gestern nicht einmal mehr geschafft hatte, sich umzuziehen. Im Badezimmer angelangt, schaute er in den Spiegel und sah, was er bereits befürchtet hatte: nichts. Genauer gesagt, er sah das Badezimmer seitenverkehrt, aber er selbst war im Spiegel nicht existent. Komischerweise schien ihm dies nichts mehr auszumachen, er registrierte es und nahm es hin, so wie man einen Regenschauer hinnimmt, obwohl man sich über Sonnenschein mehr freuen würde. Nach einem Aspirin und einer ausgiebigen Dusche fühlte er sich schon etwas besser. Dann beseitigte er im Wohnzimmer die Spuren des Vortages: ein leeres Weinglas, eine ebensolche Flasche und einen dafür umso volleren Aschenbecher. Nachdem er diese Arbeit erledigt hatte, rief er im Büro an. Seine Sekretärin spulte ihr übliches Sprüchlein herunter, als sie sich meldete. Er ließ sie gewähren und fragte dann mit noch recht müder Stimme: »Hallo Kerstin, ist Wolfgang in der Nähe?« Sie schrie förmlich in den Hörer: »Mein Gott, Chrissie, was ist passiert? Dein Handy ist abgeschaltet, ans Telefon zu Hause gehst du nicht. Wir hatten hier schon Angst, du tust dir was an und es gibt dich nicht mehr!« »Stimmt ja auch zum Teil, virtuell bin ich nicht mehr existent.« »Was redest du für wirres Zeug? Soll ich einen Arzt rufen? Ich war schon drauf und dran, Polizei und Feuerwehr zu alarmieren.« »Vergiss die Luftwaffe und Marine nicht.« Er hörte ein Rauschen und dumpfe Stimmen, offenbar verdeckte Kerstin das Telefon mit der Hand und redete mit jemandem. »Hallo Christian!« Wolfgang meldete sich. »Kerstin sagt gerade, dir gehe es nicht gut und du benötigst einen Arzt.« »Du meine Güte, sag ihr, dass sie sie nicht mehr alle hat.« »Wörtlich?« »Natürlich nicht.« »Also, jetzt sag mir, wie du dich fühlst.« »So wie nach ausgiebigem Alkohol- und Zigarettenkonsum am Vorabend: Beschissen, aber auf dem Weg zur Besserung. Hör zu Wolfgang, ich mach ein paar Tage blau und versuch, mich zu erholen. Du bist also in den nächsten Tagen der Boss. Geht das in Ordnung?« »Selbstverständlich, war ja eh mein Vorschlag. Willst du verreisen?« »Weiß ich noch nicht. Falls ja, werde ich dir mitteilen, wo ich zu erreichen bin.« »Das kannst du gerne tun; aber sofern unsere Büroräume nicht abbrennen, werde ich mich nicht bei dir melden. Sogar dann nicht, wenn der US-Präsident persönlich hier erscheint, um mitzuteilen, dass die Agentur Maurer seinen nächsten Wahlkampf managen soll.« »Gut, dass du dieses Thema erwähnst, Wolfgang. Richte in diesem Fall dem Präsi­denten aus, dass wir schon seinen Konkurrenten am Haken haben, und beide zu mana­gen, ist ein bisschen viel für uns.« »Okay, Christian. Ich merke, du hast deinen Humor nicht verloren, also kann’s dir nicht allzu schlecht gehen. Wir alle hier wünschen dir gute Erholung. Bis demnächst.« »Bis bald.« Kaum hatte er aufgelegt, klingelte das Telefon. »Hallo!« »Hallo Chrissie! Ich bin’s Melanie.« »Ah, Melanie, schön, dich zu hören.« Sie war im Moment die Letzte, mit der er sprechen wollte. »Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken, Chrissie.« »Bedanken? Wofür?« »Na hör mal, du weißt schon: für das liebe Telefongespräch gestern Abend.« »Ach so, keine Ursache.« Verflucht, schoss es ihm in den Kopf, hab ich gestern im Suff etwa Melanie angerufen? Ich kann mich an nichts mehr erinnern. »Ich freu mich schon auf unser Wiedersehen«, fügte sie noch hinzu. Dann war das Gespräch beendet. Oh, mein Gott, was hab ich bloß angerichtet? Ich hab ihr doch wohl nicht irgendwelche Hoffnungen gemacht oder gar ein Date mit ihr vereinbart? Er versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. In den nächsten Tagen versuchte er, sich so gut wie möglich zu entspannen. An dem Phänomen seines fehlenden Spiegelbildes im Badezimmer änderte sich jedoch nichts. Es existierte einfach nicht, und Christian beschloss, das Problem bis auf weiteres dadurch zu lösen, indem er den Spiegel mit einem Handtuch verdeckte. Fast jeden Morgen frühstückte er zu passender Zeit im Bistro, um mit Janine ein paar Worte wechseln zu können, immer in der Hoffnung, sie irgendwann zu einem Treffen zu bewegen. »Wie steht’s mit Ihren Klausuren?«, fragte er sie eines Morgens. »Hab sie bald hinter mir.« Sie lächelte ihn an und fügte hinzu: »Ich hab den Cappuc­cino nicht vergessen. Sie werden nicht darum herumkommen.« »Das klingt so, als ob Sie annehmen, ich wollte nicht wirklich mit Ihnen einen Kaffee trinken; dem ist aber ganz und gar nicht so.« Sie antwortete nicht, schenkte ihm aber nochmals ihr zauberhaftes Lächeln.