Beschreibung
Der zweite Band der Erinnerungen Roman- und Filmautors Curt Siodmaks (1902-2002) beschreibt seine Erfahrungen als Emigrant in Amerika ab 1938. Nach manchen Rückschlägen setzte er sich dort als Drehbuchautor durch. Gleichzeitig entstanden seine Romane, von denen Donovans Brain, mehrfach verfilmt, zum weltweiten Millionenseller avancierte. Stephen King schrieb über dieses Buch: 'Siodmak ist ein kluger Kopf und ein guter Schriftsteller. Der Fluß der spekulativen Ideen in Donovans Brain ist so aufregend wie in Büchern von Isaac Asimov oder Arthur C. Clarke oder (.) John Wyndbam. Doch keiner dieser geschätzten Herren hat je einen Roman wie Donovans Brain geschrieben. in der Tat ist das überhaupt niemandem gelungen.' Curt Siodmak zeichnet ein treffendes Bild der großen Filmstudios in Hollywood, wo er mit Filmen wie Der Wolfsmensch oder I Walked with a Zombie große Erfolge verbuchte, und beschreibt die Existenz des Schriftstellers, der seine Sprache wechseln muß. Darüber hinaus hält er reflektierend Rückschau auf sein Jahrhundert.
Leseprobe
'Das Front Office hat mir einen Titel gegeben', sagte mir George eines Tages. 'Der Wolfsmensch'. Eigentlich Boris Karloffs Titel. Hat aber keine Zeit, ihn zu spielen, weil er gerade einen anderen Vertrag hat. Hier ist die Liste mit unseren Vertragsschauspielern Claude Rains, Warren William, Madame Ouspenskaya, Ralph Bellamy, Bela Lugosi und Evelyn Ankers, ein Mädel aus Australien, kann famos kreischen. Lon wird den Wolfsmenschen spielen. Das Budget beträgt 350.000 Dollar. In zehn Wochen fangen wir mit dem Drehen an. Bis dann.' Zwar hatte ich für meine Arbeit nur den Titel, The Wolf Man, als Grundlage, aber die Geschichte setzte sich wie ein Puzzle von selbst zusammen. Ich sah darin den Kampf zwischen Gut und Böse um die Seele des Menschen und jenes unvermeidliche Walten des Schicksals, das auch mein Leben geformt hatte. Erst viele Jahre nach der Produktion des Wolf Manwurde ich mir über das Geheimnis seines Erfolges im klaren. 1942 bekam ich einen Brief von Professor Walter Evans vom Augusta College in Georgia, der den Film Wolf Man gesehen hatte. Er sprach über die Poetik des Aristoteles, deren Abhandlung über die griechische Tragödie und über die Parallele zum Wolf Man. In griechischen Tragödien entscheiden die Götter über des Menschen Schicksal, dem er nicht entrinnen kann. Bei Vollmond weiß der Wolfsmensch, daß es seine Bestimmung ist, zu töten. In griechischen Dramen haben die Götter ultimative Macht über das Leben der Menschen. Im Wolf Man übt der Vater ultimative Gewalt über seinen Sohn aus. Wie zufällig hatte ich den Film gleich einer griechischen Tragödie konstruiert, wodurch diese Figur den Schein des Klassischen gewann. Ich hatte dem Wolfsmenschen den Namen 'Lawrence Talbot' gegeben. Das schlug ein. Bei der Abfassung des Drehbuchs wurde mir bewußt, daß wir alle - mich eingeschlossen - den Launen der 'Harmatia' unterworfen sind, einem prädestinierten Geschick. War der Wolf Man ein Spiegel menschlichen Lebens? Even a man who is pure in heart And says his prayers at night May become a wolf when the wolfbane blooms And the autumn moon is bright. (Sogar ein Mann mit reinstem Geblüt, Der Gebete sagt jede Nacht, Kann zum Wolf werden, wenn die Wolfsblume blüht Unter des Mondes goldener Pracht.) Meinen Vierzeiler hat man inzwischen der 'Zigeuner-Folklore' zugeschrieben. So macht man Volksüberlieferung. Ich bekam einen Anruf von RKO: Der Produzent Val Lewton (Vladimir Leventon) wollte mich sprechen. Val war ein Weißrusse, der 1918 nach der bolschewistischen Revolution mit seinen Eltern nach Amerika entkommen war. Val kannte den Wolf Man und war, wie er mir sagte, fasziniert von dessen freudianischen Konnotationen dem Kampf zwischen Vater und Sohn, eine Bedeutung, die ich in dem Film bisher noch nicht wahrgenommen hatte. Er fand, daß der implizite Schrecken in meinen Filmen mehr unter die Haut ginge, als direkte visualisierte Gewalt es vermochte.