Noble Lügen

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783903460263
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Der machthungrige Kanzlermacher Frank Fischbach liebt die Manipulation und das Spiel mit den Gefühlen und Hoffnungen von Politikern und der Bevölkerung. Als er für seinen Kanzler Bao Strauss zum dritten Mal die Wahl gewinnt, wird ihm der Erfolg schon fast selbst langweilig. Er will sein Genie weitergeben und plant ein Ausbildungszentrum für Leistungsträger, eine Schule der Gewinner: Young Titans. Fischbach lernt die Zivilgesellschaftsikone und erfolgreiche Öko-Unternehmerin Sandra Kern kennen, ihr Geschäftsmodell ist Weltrettung; die zwei in ihrem Businessverständnis grundverschiedenen Workaholics beginnen eine Beziehung. Als Noble Lüge bezeichnete Platon einen in der politischen Rede notwendigen, aber falschen Mythos, um den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten. Sowohl Fischbach als auch Kern sind Meister der noblen Lüge. Ein guter Verkäufer muss immer abschließen, Frank lernt von Sandra Kern, dass zeitgemäßes Verkaufen auf Sinnhaftigkeit, Moral und Ethik setzen muss. Christian Moser-Sollmann ist ein zeitdiagnostisches, ironisches Gesellschaftspanorama gelungen, punktgenau, scharf gezeichnet und verfilzt-österreichisch.

Autorenportrait

Christian Moser-Sollmann geb. 1972 in Tirol, lebt und arbeitet als Autor und Wissenschaftler mit seiner Familie in Wien und Lienz. Seit 1994 ist Sollmann als Researcher, Journalist und Texter tätig. Studium in Wien und London mit einer Doktorarbeit zur Ästhetik der Popkultur. Der Kulturwissenschaftler kennt und beobachtet als verantwortlicher Redakteur des Österreichischen Jahrbuchs für Politik die Schnittstellen von Wissenschaft, Politik und Medien aus erster Hand. Sollmann veröffentlicht Romane (zuletzt: Ohne Wham und Abba!) und wissenschaftliche Texte (zuletzt: Der unsichtbare Text. Der erschöpfte Leser. Eine Methodenkritik der Inhaltsanalyse) in den Bereichen Ideengeschichte, Parteienforschung, Methodenlehre und Politische Philosophie.

Leseprobe

Sandra zahlte sich monatlich ein Geschäftsführergehalt von 18.000 Euro aus und lebte in einer Altbauwohnung mit nur fünf Zimmern. Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen war ihr wichtig. Sie konsumierte regional erzeugte und biologische Lebensmittel, trug Von-der-Wiege-zur-Wiege-Kleidung und hatte die Null-Mist-Bewegung kommunikativ begleitet. Ihre Wohnung war ein Niedrigenergiehaus, die Straße, wo sie wohnte, ein Testgebiet für Stadtgärten, und sie verzichtete auf Flugreisen und hatte kein Auto. Die Ressource Gutes zu mehren war mehr als ein Geschäftsmodell, es war ihr Lebensstil. Du musst leben, was du verkaufst. Die Leute wittern Unaufrichtigkeit. Die Grundlage meiner Geschäfte bildet die Idee des Guten. Gutes zu mehren und Gutes tun, will jeder. Deshalb schlage ich dir ein Geschäft vor. Die Ressource Gutes zu mehren, war mehr als ein Geschäftsmodell, es war ihr Lebensstil. Du musst leben, was du verkaufst. Die Leute wittern Unaufrichtigkeit. Aber das weißt du selbst, genau so positionierst du Bao Strauss. Die Grundlage meiner Geschäfte bildet die Idee des Guten. Gutes zu mehren und Gutes tun, will jeder. Deshalb schlage ich dir ein Geschäft vor. Ich plane ein Event mit dem Arbeitstitel Die Woche des Waldes für meinen Waldverein. Magst du nicht als Markenbotschafter auftreten? Ein Pro-bono-Engagement ist für dein Imageprofil überfällig. Du giltst in der Öffentlichkeit als Mensch, für den nur Rendite und Gewinne zählen. Wenn du dich für die Umwelt engagierst, wirkst du menschlicher. Frank war skeptisch. Ständig schnorrten ihn Vereine, Freiwilligenorganisationen, Kirchen und sogenannte Neue Soziale Bewegungen an, für sie unentgeltlich zu werben. Schwule, Lesben, Transgenderaktivisten, Veganer, Frutarier, Tierrechtsorganisationen, Abtreibungsgegner, Abtreibungsbefürworter, so ziemlich jede Ein-Themen-Lobbying-Organisation hatte schon angeklopft. Die Gemeinnützigen erhofften sich von seinem Gesicht Spenden und Aufmerksamkeit und versprachen im Gegenzug ein weicheres Image. Bisher hatte Frank stets abgewunken. Weniger aus Überzeugung; soziales Engagement machte ihn bei bestimmten zahlungskräftigen Klienten des alten Geldes nur angreifbar. Die Karte soziales Engagement setzte er deshalb nur sparsam dosiert bei Sonntagsreden, Katastrophen oder sonstigen Ausnahmezuständen ein. Sandra las seine Gedanken falsch. Zier dich nicht so. Ich bin keine, die mit der pinken oder grünen Weißwaschungskarte unser verrottetes System kosmetisch aufhübschen will. Ich glaube an die Einheit von Natur und Wirtschaft. Die Waldwoche wird das Woodstock unserer Generation. Ganz bestimmt. Für den Wald öffneten gestresste Städter ihre Geldbeutel. Bäume und Waldböden eigneten sich für mythische Überhöhungen und weckten den Anarchen in den verweichlichten Konsumentenbrüsten. Der Wald als Projektionsfläche und Sinnstifter hatte schon bei Ernst Jünger funktioniert, schwärmte Sandra.