Beschreibung
Auf den Sanpietrini Rom erobert, durch Rom gezogen, immer die Pflastersteine unter den Füßen, sie gespürt, als eine Konstante empfunden, obwohl sie schon immer gewackelt haben unter ihren deutschen Füßen: Barbara wächst zwischen Zäunen und Feldern, zwischen Geboten und Verboten auf. Es gibt keine Freiheit der Gesten, der Erfindung, des Spiels, schon gar nicht der Extravaganz oder der Ironie. Später verbringt sie einen großen Teil ihres Lebens damit, vor der Freiheit Angst zu haben. Sie flieht, endet im Haus, im Wohnen. Aber das Habitat ist immer bedroht. Mit 60 Jahren steht sie vor der Frage, was noch kommen kann. Waltraud Mittich erzählt in diesem Roman von genommenen Freiheiten, von wagemutigen Utopien und von Männern als Märchenerzählern.
Autorenportrait
Waltraud Mittich, 1946 in Bad Ischl geboren, 1952 Übersiedlung nach Südtirol. Studium "Lingue e letterature straniere e moderne" an der Universität Padua, anschließend Unterrichtstätigkeit. Zuletzt erschienen: "Abschied von der Serenissima" (Roman, 2014), "Micòl" (Roman, 2016).
Leseprobe
Einige Container weiter liegen Mio, die Schöne und der Philosoph auf einer Couch. Weißt du, sagt Mio, es ist schwierig die wahre Farbe des Meeres zu erraten. Ja, man muss sie erraten. Denn blau ist es nicht immer. Unter den Wolken schimmert es grau, in der Dunkelheit schwarz, am Morgen und in der Dämmerung golden. Manchmal am Abend ist es rosig bis rot, zuerst weiß schaumig, während des Gewitters bleiern, durchsichtig und trüb, je nach Wellenlage. Ich komme aus Anzio, weißt du, wo das ist? Du wirst es mir sagen, nicht wahr? Der Philosoph küsst sie auf die Augen, die so viel Meer gesehen haben. Anzio ist eine Stadt am Meer, ungefähr sechzig Kilometer südlich von Rom. Das Stadtzentrum liegt auf dem Capo d'Anzio, ich komme aus dem Neubauviertel Anzio Colonia. In Anzio sind übrigens 1944 im Jänner die Alliierten gelandet, das hat mir mein Großvater erzählt. Erzähl du mir von dir, bittet der Philosoph.