In dunklen Gegenden

Erzählungen

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783902498946
Sprache: Deutsch
Umfang: 104 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 21.1 x 13.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Ein altes leerstehendes Haus wird zum Grab einer vergangenen Jugend, ein Chefkartograf erzählt von seinem letzten großen Auftrag, und ein Geschichtsschreiber findet sich in einer scheinbar ausweglosen Situation unter der Erde wieder. Vieles in Thomas Ballhausens Erzählungen passiert im Kopf der Figuren und in einer anderen Wirklichkeit. Gedanken und Beobachtungen werden exakt aufgezeichnet, nicht ohne dabei auch rätselhaft und magisch zu sein. Zu Komplizen werden die Texte bei ihrer Sprache, die dynamisch und poetisch zugleich ist, und beim fast ehrfürchtigen Spiel mit der Literatur und der Musik.

Autorenportrait

Thomas Ballhausen, 1975 in Wien geboren. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Wien. Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Filmarchiv Austria und Lektor an der Universität Wien. Literarische Veröffentlichungen in Zeitschriften (u.a. Kolik, Krachkultur, Lichtungen) und Anthologien (u.a. Zum Glück gibts Österreich, Wagenbach). Zahlreiche Buchpublikationen, zuletzt in der Edition Atelier: Lob der Brandstifterin und Signaturen der Erinnerung. Über die Arbeit am Archiv

Leseprobe

Thomas Ballhausen: Auszug aus der Erzählung 'Restlicht' 'Die Wirklichkeit ist der Rand, von dem ich mich, wie ein Schwimmer in einem Becken, abstoße. Ein Tempo, ein weiteres, ein Schritt, noch einer. Für einen unvorsichtigen Moment blicke ich an mir herab, dann konzentriere ich mich wieder auf die Stadtlandschaft, die mich umgibt. In meinen Koffer habe ich unter anderem auch die braunen Schnürschuhe gepackt, die ich nur Deinetwegen gekauft hatte. Ich hätte ganz großartig in ihnen neben Dir hergehen können. Nun aber verlangt die Situation nach anderem Schuhwerk, fest, schwarz und unnachgiebig glänzend. In ihnen kann ich Dich besser verfolgen, selbst hier, wo Du nicht mehr bist. Die Straßen, auf die es mich verschlagen hat, kommen mir zuerst nur vage bekannt vor. Die Transportkapsel, die mich eigentlich an das andere Ende dieser schäbigen Welt hätte tragen sollen, ist nach dem Angriff einer Drohne vom Kurs abgekommen. Eigentlich sollte ich wohl nicht mehr am Leben sein, das sagt sich leichter, als man meinen würde. In meiner Hand halte ich den zentralen Teil meiner Maschine, das mechanische Herz aller Dinge. Transportkapsel und Koffer liegen einige Klicks entfernt am Strand, gleich neben der Statue mit der unleserlichen Inschrift. Hier sollte wohl von Größe gekündet werden, die sich nur als Raunen und nicht als Teil eines steinernen Belegs erhalten hat. Anders das Abspulen dieses neuen Versuchs. Die Vorstellungen, die wir uns voneinander machen, könnten, so sagt es mir eine implantierte Hoffnung, immer noch von Bedeutung sein. Das geplante Ergebnis meiner Bemühungen ist Erkenntnis oder ein endgültiger Zusammenbruch. Ich rede mir ein, dass Du mich dazu getrieben hast, dass ich die Umstände nun nicht mehr beeinflussen kann und Steine alles sein werden, was mich schließlich erwartet. Auch hier wachsen Gebäude wie Halme. Jeder Moment, jeder kleinste Augenblick ist Teil einer unnachgiebig eingefangenen Abfolge, einer Neuinszenierung. Die Umstände kommen mir nach und nach, Schritt für Schritt, auf gespenstische Weise vertrauter vor, auch wenn Du nicht hier bist, vielleicht sogar eben deshalb. Wenn auch nur ein Umriss geblieben ist, eine Vorstellung, die ich immer wieder neu mit Bedeutung auffülle und ins Visier nehme, ein Echo von dem, was sich abspielte - hier findet es statt.'