Beschreibung
Der Leser wartet an einem Erzählperron, der in sechs regelmäßige Sektoren aufgeteilt ist. Sein offizieller Standpunkt liegt im Feld D, aber während des Wartens wandert der Leser die gesamte Länge von zweihundertfünfzig Seiten ab. General Eyer will in Tirol eine Notverordnung einführen, von der nur gewiß ist, daß sie täglich schärfer wird. Warum es zu dieser Notverordnung kommt, wer sie iniziiert hat und wer davon letztlich profitiert, ist nicht einmal dem General selbst bekannt. Er hat auch jedes Zeitgefühl verloren, so daß er fallweise in alten ZEIT-Ausgaben einen x-beliebigen Absatz nachschlägt und dabei meint, es gebe eine Zeit außerhalb der Echtzeit. Alle Figuren können Verbündete sein, denn die Notverordnung bedarf hervorragender Fachleute, wenn sie gegenüber der Wirklichkeit halten soll. Mit der Mitarbeit am Projekt verlieren die Personen freilich auch ihre Unschuld und können zu Verrätern werden, weshalb man sich am besten sogenannter Einweg-Posten bedient. In der engsten Umgebung schwankt das Urteil über Eyer zwischen Eigennotstand, Alkoholiker und klarem Fall von Plemmplemm. Je mehr sich die Notverordnung in gewissen Punkten als real herausstellt, desto imaginärer werden ihre noch zu planenden Teile. Einerseits ist die Notverordnung ein neuer Schöpfungsbericht, andererseits hat sie nichts anderes im Sinn, als die Schöpfung zu verhindern. Gerade weil er den aktiven Helden mimt, entpuppt sich General Eyer schließlich als Spielball der Geschichte, denn mit der Notverordnung läßt sich nicht spielen. Im Sinne der Rhizomtheorie bewirken Kausalketten immer bloß eines, daß sie den Faden verlieren. So stehen die unmöglichsten Ereignisse miteinander in korrekter Beziehung, während logische Konstrukte geräuschlos zusammenbrechen, wenn man sie benützt. Nachdem wie in einer gigantischen Erzähldatei alle Segmente mit dem Notstandsvirus befeuchtet sind, kann auch der Leser nicht mehr zwischen dem real-genötigten und dem notwendig-realen Zustand Tirols unterscheiden.