Beschreibung
Maria Barbal, die bekannteste und wichtigste katalanische Autorin, zieht uns in eine Welt, die nur scheinbar eine vergangene ist: in die bedrückende Enge eines Dorfes und einer Familie, die unter der brutalen Willkür des Vaters fast zugrunde geht, in der aber vor allem die Frauen sich nicht zerbrechen lassen. Auch dann nicht, als der Vater beschließt, aus dem Dorf wegzugehen, sein Land zu verkaufen und mit seinem Sohn und dessen Frau nach Barcelona zu ziehen, um dort ein kleines Lebensmittelgeschäft zu betreiben.Der Sohn gehorcht, lässt sich vom Vater ausnehmen und wird zusehends apathisch; seine Frau aber zieht aus der Liebe zu ihrem Kind so eine Kraft, dass sie eine eigene Existenz und Freundschaften aufbaut. Die Gewalt ist aber latent immer da, sie lauert hinter jedem Konflikt - und sie kulminiert, als der Vater plötzlich in das Dorf zurückkehrt, sein Sohn ihm abermals folgt (dessen Frau und Kind aber nicht) und sich dort eine Spirale von Angst, Verdächtigungen und Drohungen entwickelt - bis sich diese Spannung entlädt und zum Schluss ein furchtbares Geheimnis preisgibt, das die ganze Zeit über der Familie und dem Dorf gelastet hat.In starken Bildern zeichnet Maria Barbal die Atmosphäre im Dorf und in Barcelona; ihre Figuren leben durch ihre Widersprüche, durch Schwächen, durch Unbarmherzigkeit und Dummheit ebenso wie durch Witz, Widerstand und vor allem die verschiedenen Formen der Liebe: Liebe, die über Andeutungen nicht hinausgeht, Liebe, die abhängig und damit lächerlich macht, Liebe, die gegen alle Gewalt triumphiert.
Autorenportrait
Maria Barbal, 1949 in Tremp (Pyrenäen) geboren, lebt als Schriftstellerin in Barcelona. Sie gilt als eine der wichtigsten und erfolgreichsten Autorinnen zeitgenössischer katalanischer Literatur. Im: Transit Buchverlag erschienen von ihr 'Wie ein Stein im Geröll', 'Inneres Land' und 'Emma'. 'Die Schönheit von Maria Barbals Sprache liegt in ihrer Sorgfalt; egal, ob die Keramiktöpfe auf der Terrasse beschrieben sind oder die wie poliert glänzenden Hände der Großmutter'Bernadette Conrad, DIE ZEIT
Leseprobe
Im Winter ist es kurz nach sechs schon dunkel. Die Gassen im Dorf, bitterkalt und nur spärlich beleuchtet, wirken nicht sehr einladend. Dem Anschein nach herrscht völlige Ruhe, so als ob alle schlafen würden, aber es geht durchaus geschäftig zu, bloß müsste man dazu einen Blick in die Häuser werfen können. Im Stall werden die Kühe gemolken und in der Küche hantiert irgendwer in der Nähe des Feuers herum oder sitzt einfach nur so da.Eine der Straßen ist für eine Weile belebter als alle anderen, aber die Leute gehen dort nicht etwa spazieren, sie haben vielmehr alle ein und dasselbe Ziel.Wie selbstverständlich steigt ein Mann gerade die Treppe hoch zu Xau und bestimmt tut er dies nicht zum ersten Mal. In eine angeregte Unterhaltung vertieft, sind es dann wenig später schon zwei Männer, die vor der Tür stehen bleiben, durch die der andere kurz zuvor verschwunden ist. Allerdings nur für einen Augenblick, gerade mal so lange, bis sie den eben begonnenen Satz zu Ende gebracht haben. So finden sich dort jeden Abend, wie wenn Wasser tropfen- oder schlückchenweise aufgefangen wird, mehr als ein gutes Dutzend Männer ein. Vielleicht wollen sie sich einfach ein wenig die Zeit vertreiben, während die Frauen oder Kinder die Kühe melken. Und wenn sie nach Hause kommen, erwarten sie, dass das Abendessen auf dem Tisch steht. Vielleicht hocken sie aber auch bei Xau, weil sie sich von den schmutzig grauen, abgegriffenen Karten angezogen fühlen und von dem Wein, der in kleinen Gläsern ausgeschenkt wird.An manchen Abenden nehmen allein die Botifarra-Spieler vier Tische in Beschlag. Fast hinter jedem Stuhl steht zudem ein Kiebitz, der von oben in die Karten späht und fast den Rücken des Spielers berührt, wenn dieser seine Trümpfe ausspielt. Dienstags jedoch ist für gewöhnlich nicht viel los. Xauet weiß das nur zu gut, denn schließlich steht er schon seit ein paar Jahren hinter dem Tresen. Auch an diesem Dienstag, gerade mal drei Tische sind besetzt, ist es ziemlich ruhig. Nur ab und zu zerfetzt ein Fluch den dichten Qualm, so wie ein Peitschenhieb die gärende Stallluft, doch gleich darauf ist wieder das dumpfe Gemurmel der Worte zu hören, die die Spieler im fahlen Licht der Schankstube vor sich hinzukauen scheinen. Die beiden Glühbirnen, die von einem der Deckenbalken herunterbaumeln, tragen als einzigen Schmuck einen Lampenschirm aus Blech, der das Licht über den Tischen bündelt.Xauet ist nicht darauf aus, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, er lässt sie in Ruhe. Wenn sie einen Wein bestellen, bringt er ihnen ein Glas. Will jemand nichts trinken, auch gut, dann trinkt er eben nichts. Es erfüllt ihn mit einem gewissen Stolz, in den eigenen vier Wänden zu sein und den anderen Unterschlupf zu gewähren. Von der Theke aus genießt er das ganze Treiben von Anfang bis Ende, mit all den dazugehörigen Ruhepausen, und das sind nicht wenige. Ihm soll es nur recht sein. Er plagt sich ja schon den ganzen Morgen bei der Feldarbeit oder wenn er das Vieh auf die Weide treiben muss. Das einzige, was er nicht abkann, sind Raufereien, und sobald er wittert, dass sich da etwas zusammenbraut, setzt er alles daran, sie schon im Keim zu ersticken. Aber an diesem Abend bleibt ihm keine Zeit dazu. Kaum hat nämlich Frederic von den Manois die Schankstube betreten und sich an einen der Tische gesetzt, fängt der alte Raurill an, etwas in den Bart zu murmeln, und schon hört man einen Stuhl zu Boden poltern, der heftige Rückstoß von Frederics Körper hat ihn umgeworfen. Für einen Moment herrscht lähmende Stille, bis sich die Blicke, die Frederic auf sich gezogen hat, wieder dem Kartenspiel zuwenden. Doch dann ist mit einem Mal das metallische Geräusch eines aufklappenden Messers zu hören, und alle Augen richten sich erneut auf den kräftigen Mann, auf den Erstgeborenen der Manois, der in seiner rechten Faust eine Klinge aufblitzen lässt.Als das Stimmengewirr wieder einsetzt, um einiges lauter als vor dem Zwischenfall, gibt es keinen, der mit Sicherheit hätte sagen können, wie sich das Ganze eigentlich zugetragen hat. Jeder weiß um die Spannun