Beschreibung
Zu ihren Lebzeiten umstritten und verfolgt, hat Jeanne-Marie Guyon (1648-1717) eine umfassende geistliche Lehre des inneren Gebets entwickelt. Ihr mystisch geprägtes Denken beeinflusste die innerkirchliche Erneuerungsbewegung im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Auch heute noch ermutigt ihre Spiritualität, einen persönlichen Weg zu Gott zu finden. Ute EgnerWalter betrachtet Madame Guyon zunächst biographisch und im Kontext ihrer Zeit, in der sie Kontakt zu einflussreichen kirchlichen wie weltlichen Funktionsträgern pflegte, etwa zu Bossuet und Fénelon. Dem Quietismus nahestehend, der die passive Hingabe an den Willen Gottes propagierte, wurde JeanneMarie Guyon mehrmals eingekerkert, bevor sie schließlich ihre eigene Schule begründete. Nach ihrer Lehre trägt jeder Mensch eine natürliche Neigung zu Gott in sich. Seine Aufgabe ist es, schon im diesseitigen Leben eine unmittelbare, wesensmäßige Vereinigung mit Gott anzustreben. Diese Vereinigung ist zugleich eine Vereinigung mit der eigenen Mitte. Im Zentrum ihrer Lehre stehen die drei Wege, auf denen sich Menschen in unterschiedlicher Weise Gott nähern: der aktive Lichtweg, den intellektuelle Anstrengung und spirituelle Oberflächlichkeit prägen; der passive Lichtweg, den Offenbarung und Lichterfahrung, aber auch Eitelkeit auszeichnen; und schließlich der Nachtweg, der allein den Menschen von seiner Egozentrik befreien kann. Indem dieser mystische Weg die Kräfte des Ego (Verstand, Gedächtnis und Wille) vernichtet, führt er zu neuem Leben in Gott. Sein Grundprinzip heißt: durch das Nichts zum göttlichen Alles.