Beschreibung
München 1919: Der Strichjunge Josef Seitz ("Modellpepi") erpresst den Bankier von Meisental; ein Journalist sorgt für den großen Skandal. Der Anhang versammelt Texte zum schwulen Leben in München um 1900, darunter die "Bekennntisse der Pompadour". (BrW)
Leseprobe
'Aus dem Scherz wird Ernst und aus der Posse eine Tragikomödie. Wissen Sie schon das Allerneueste?' Mit diesen Worten als Gruß trat Conte Marilaun in den Salon des Clubs, der in seiner eleganten Ausführung mit der orangefarbenen, von schmalen, hellvioletten Streifen durchzogenen, seidenen Wandbespannung, mit den dicken, mattfarbenen Teppichen, die jeden lauten Schritt einsaugten, mit den Wiener Möbeln aus gebogenem Holz und mit duftiggrünen Seidenripsbezügen eher als Boudoir einer Dame paßte als für einen Herrenclub. Die in den niederen Stühlen saßen und kauerten, rauchten auch keine Zigarren und Importen, nur der süßliche, fade Duft parfümierter Zigaretten in bläulichen, dünnen Rauchringen füllte den Raum. Conte Marilaun war eine zierliche, schmalschultrige Gestalt mit wiegendem, schwebendem Gang; sein Gesicht war glattrasiert und an den Wangen etwas aufgeschminkt, ohne aber das Alter der nahenden Fünfzig vollständig verheimlichen zu können, wenn auch das Haar gefärbt und mit einer Brennschere gewellt war; der auf Seide gearbeitete Anzug saß so eng, daß der schmale Körper die Formen einer Taille und leicht ausladende Hüften erkennen ließ. Daß der Conte Marilaun ein Korsett trug, wußten alle. Eine bauschige, meergrüne Kravatte mit einem blutroten Achat leuchtete aus einer silbergrauen Weste, und eine doppeltgefüllte Nelke mit mattblauem Ton steckte im Knopfloch. Eine knochige Erscheinung mit völlig kahlem Schädel und ganz schmalen, dünnen Lippen richtete sich aus der kauernden Lage auf und fragte mit einer dünnen, fistelnden Knabenstimme, die wie aus einer zweiten Gestalt zu kommen schien: 'Sie wissen stets das Neueste, Conte! Ist es eine Sensation, oder ein drohender Skandal? Regt sich die >Sternschnuppe< wieder mit neuen Enthüllungen?'