Beschreibung
Wie eine verlorene Liebe Venedig in ewiges Tageslicht taucht Sieben Tage lang geht die Sonne über Venedig nicht mehr auf. Am achten Morgen ist Anisa, die Assistentin und Geliebte des Straßenzauberers Matéo, plötzlich verschwunden. Matéo ist sich sicher, dass Anisa ihn nicht freiwillig verlassen hat. Während Venedig in den folgenden Tagen in ewigen Tag getaucht ist, sucht er verzweifelt die Stadt nach ihr ab. In einem verborgen liegenden, seltsamen Zirkus findet Matéo endlich Anisa wieder, doch als er sie anspricht, erkennt sie ihren Geliebten nicht. Sie lädt den Zauberer jedoch ein, ebenfalls im Zirkus aufzutreten. Und so begibt sich Matéo in eine verzauberte Zirkuswelt, die nicht nur das Geheimnis seiner Geliebten zu hüten scheint, sondern auch den Schlüssel zum andauernden Tageslicht über Venedig in sich birgt.
Autorenportrait
Fabienne Siegmund, geboren 1980, lebt in der Nähe von Köln. Ihre Leidenschaft für Geschichten entdeckte sie schon als Kind, und irgendwann begann sie selber zur Architektin von Luftschlössern, Traumgebilden und anderen zumeist fantastischen Stoffen aus Buchstaben zu werden. Ihre Freizeit verbringt Fabienne Siegmund zum größten Teil in Geschichten (egal ob lesend oder schreibend), besucht aber auch sehr gerne das ein oder andere Eishockeyspiel, Konzert oder Theaterstück, bastelt mit allen möglichen Dingen und reist durch die Welt, von wo sie immer wieder neue Geschichten mitbringt.
Leseprobe
Leseprobe aus "Das Herz der Nacht" - Prolog: Der Morgen kann ein Dieb sein, und manchmal raubt er nicht nur die Nacht. Matéo raubte er bereits seit fünf Tagen mit jedem Erwachen die Hoffnung. Obwohl. nein, die Hoffnung raubte er ihm erst seit vier Tagen. Am ersten Tag, dem Dienstag, hatte er ihm noch so viel mehr gestohlen. Und auch heute, am Sonntag, erinnerte er sich noch genau. Noch bevor Matéo die Augen an jenem Dienstag aufgeschlagen hatte, war da dieses Gefühl gewesen, dass sich etwas verändert hatte. Da war eine Kälte in der kleinen Wohnung, die am Abend, als er und Anisa unter die Decke geschlüpft waren, nicht dagewesen war. Eine Kälte, die sich anders anfühlte als die des Winters. Sie hatte nicht einmal etwas mit der Temperatur in der winzigen Wohnung zu tun. Es war einfach ein Gefühl, das nicht von ihm hatte ablassen wollen. Mit banger Erwartung hatte er die blaugrauen Augen aufgeschlagen, doch bis auf das gleißende Licht, das ihm die Sicht erschwerte, hatte er zunächst nichts gesehen. Und auch als er blinzelnd die Brille mit den schlichten silbernen Rändern aufgesetzt hatte, die seine ohnehin schon tiefliegenden Augen optisch noch tiefer sinken ließ, war ihm nichts Besonderes aufgefallen. Nichts in der Wohnung hatte sich verändert. Alles war dort geblieben, wo es hingehörte, das schmale Sofa im fast rechten Winkel zum Bett, davor der kleine Tisch, welcher Nachtschrank und Beistelltisch zugleich war, ein winziger Sessel, dahinter die Kochnische und die Tür, die in das kleine Bad führte. Nur Anisa war nicht da gewesen. Zuerst hatte er sie noch im Bad gewähnt, doch hatte er weder das Fließen von Wasser noch die Toilettenspülung gehört. Auch das Summen, mit dem Anisa jeden Tag begrüßte, hatte gefehlt. Erschrocken war Matéo hochgefahren, und obwohl er deutlich gesehen hatte, dass Anisa nicht neben ihm lag, hatte er mit der Hand über die leere Seite des Bettes getastet. Sie war kalt und glatt gewesen, als hätte nie jemand dort gelegen. Nur der Duft ihres Parfüms hatte noch in der Luft gelegen, eine vage Erinnerung an Veilchen und Orchideen, die mit jedem Atemzug verblasst war. Sie hatte den Duft am Morgen zuvor aufgetragen, einem Morgen, der ihnen wie ein Wunder vorgekommen war, nach einer Woche, in der die Nacht vergessen zu haben schien, dass es auch noch Tage gab. Sieben Tage lang war es nicht hell geworden, nicht einmal ein klitzekleines bisschen. Wo die Sonne hätte scheinen sollen, standen der Mond und die Sterne, ummantelt von tiefblauer Dunkelheit. Die meisten Menschen hatten sich in ihren Häusern verkrochen und geglaubt, der Himmel würde über ihnen einstürzen. Anisa und er aber waren durch die Nacht getaumelt, hatten ihrer Liebe tanzend Ausdruck verliehen. Sie waren auf den kleinen Plätzen, unter deren Laternen sich die Nachtschwärmer versammelt hatten, aufgetreten und hatten die Menschen mit ihren Illusionen verzaubert, die Matéo niemals zuvor so leicht von der Hand gegangen waren. Matéo war ein Zauberkünstler, ein Illusionist. Kein besonders guter, da machte er sich nichts vor. Sein spärliches Talent lebte von Anisa, die als seine Assistentin fungierte und alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte, wenn er mal wieder mit seiner Ungeschicklichkeit haderte, gegen die er so oft den inneren Kampf verlor. Ja, Matéo wusste genau, dass Anisa die wahre Magierin war. Niemand konnte die Blicke von ihrer zierlichen Gestalt lassen, wenn sie in ihrem schlichten, weißen Kostüm, dem einer Ballerina bei ihren Übungen gleichend, um ihn herum tänzelte, die glatten braunen Haare locker hochgesteckt, in den braunen Augen immer ein Funkeln, das weder Freude noch Traurigkeit und doch beides zugleich verhieß. Es war dieses Funkeln, in das Matéo sich verliebt hatte, die Herausforderung, es in ein Strahlen zu verwandeln. So oft war es ihm seither schon gelungen, und mit jedem Mal machte sein Herz einen Satz vor Freude, auch noch nach all der Zeit, die sie einander kannten, in all dem Elend, das sie manchmal begleitete