Beschreibung
Die hessische Wetterau im Jahr 400 v. Chr.: Über dem Glauberg hängt der Schatten eines neuen Krieges. Der Tod ihres Vaters zwingt Dunaan, die Nichte des Keltenfürsten, sich endlich dem Urteil der Krieger zu stellen und den Titel des Heerführers gegen ihren verräterischen Konkurrenten zu verteidigen. Währenddessen stößt Hahles mit dem Fürstenbruder Borigennos ungewollt auf ein Geheimnis, das der Fürst seit Jahren zu verheimlichen versucht. Aus der Hand eines Fremden erhält er ein altes Erbstück der Fürstenfamilie, das als verschwunden galt und vom Fürsten selbst verleugnet wird. Im Zenit ihres Konfliktes kommt es schließlich zur ersten Schlacht. Wer aber ist der Fremde, der plötzlich die Macht über den verbündeten Stamm der Widderleute übernommen hat? Und wird es ihm gelingen, das Schlachtenglück für sich zu gewinnen? In den Wirren des Krieges offenbart sich ein uralter Handel, der das Gleichgewicht zwischen den Stämmen ins Wanken bringt und schließlich über das Schicksal eines ganzen Landes entscheiden soll.
Autorenportrait
Astrid Rauner wurde 1991 in der hessischen Wetterau geboren. Seit dem Abschluss des Abiturs 2008 studiert sie Umweltmanagement in Gießen, seit März 2011 in einem Masterstudiengang. Keltische und germanische Geschichte begleitet sie bereits seit ihrer Kindheit. Archäologische Funde aus Deutschland und Mitteleuropa inspirieren sie zu ihren Werken, in welchen sie zu ergründen versucht, wie die Lücken europäischer Vorgeschichte geschlossen werden können.
Leseprobe
Prolog: Das Lied des Flötenspielers hatte sich in den Baumwipfeln gefangen. Die Versuchung, immer lauter und lauter zu spielen, nur damit die feine Melodie mit zehnfacher Kraft von den hohen Wänden des Steinbruches zurückgeworfen wurde, war groß. Die Stille, die hier mancher Tage herrschte, war so drückend, dass selbst das Konzert der Vögel sie nicht vertreiben konnte. Deshalb spielte der Hirte. Das Grunzen seiner Schweineherde, die sich hinter ihm zwischen den Bäumen verteilt hatte, spendete nur so lange heimeliges Vertrauen, wie er sich bewusst machte, dass keines der Tiere ihm gegen die Geister beistehen konnte, die in den Nischen in der Felswand wohnten. Der Tag war noch jung. Die Morgensonne spähte gerade über die Hügelkette am Horizont und färbte den grauen Dunst, der sich über die Baumwipfel gelegt hatte, in blasses Rot. Es war jene Tageszeit, da die Welt zwischen Träumen und Wachen schwebte, die Zeit lichtscheuer Geister, die noch ein letztes Opfer suchten, bevor die Morgensonne sie gänzlich bis zum Abend vertreiben würde. Der junge Hirte kannte die Geschichten darüber ganz genau! Sein Vater erzählte sie ja immer abends am Feuer, dass manch eines seiner Geschwister nachts kein Auge zutat. Der Hirte selbst sollte eigentlich alt genug sein, um sich vor solchen Schatten nicht mehr zu ängstigen. Zog er doch schon seit Jahren kurz vor dem Sonnenaufgang mit seiner Herde von der Siedlung zum Steinbruch hinab, die auf einer leichten Anhöhe durch die Baumwipfel kaum noch zu sehen war. Mächtige Eichen hatten hier am Rande des Waldes überdauert. Sie waren nicht wie die vielen Buchen und Holunderbüsche dem Ehrgeiz der Menschen zum Opfer gefallen, die vor kurzer Zeit bemerkt hatten, welch gute Preise der rot schimmernde Sandstein erzielte, der hier von Götterhand aus dem Boden gewachsen war. Nur die Eichen, die der Gott Taranis liebte wie keine anderen Bäume, hatte man nicht gewagt, zu Brennholz zu verarbeiten - ganz gleich wie sehr sie den Arbeitern mancher Tage im Weg standen. Denn die Misteln, die heiligen Pflanzen der Götter, hatten sich in ihren Ästen eingenistet. Und einen Gott mit so empfindlichem Gemüt wie den Herrn des Wetters traute sich auch ein ehrgeiziger Dorfvorsteher nicht zu verärgern. Den Hirten kostete es demnach zu jeder Sonnenwende ein teures Opfer, dass er seine Schweine vom Dorf hierher treiben durfte, um sie mit den schmackhaften Eicheln zu mästen, von welchen selbst nach dem langen Winter hier immer noch genügend liegen geblieben waren, um seine Herde bei Laune zu halten. Zumindest einige Tage noch. Sie würden sich bald mit den Resten von Bucheckern zufrieden geben müssen, wenn der Schamane ihres Dorfes den guten Willen des Taranis ausgereizt sah und den Hirten mit seiner Herde zurück in die Wälder befahl. Er selbst wollte sich nicht darüber beklagen. Wie viel härter war doch das Leben der wandernden Hirten, die zum Frühjahr mit ihren Herden die Dörfer verließen, um den alten Handelsstraßen nach Osten oder Norden zu folgen, hinein in die undurchdringlichen Wälder dieses Landes, die sich vom Sonnenauf- zum Sonnenuntergang erstreckten und in der Vorstellung des Hirten niemals ein Ende nahmen. Männer wie diese, die ihre Herden weit weg von daheim treiben mussten, um sie immer an anderer Stelle zu neuem Futter zu führen, sah man häufig bis zum Herbst nicht wieder. Den jungen Hirten graute es davor, dass ihn einmal dasselbe Schicksal ereilen könnte, wenn sein Vater tot und der Hof vielleicht nicht mehr zu halten wäre. An diesem Morgen aber waren seine Sorgen anderer Natur. Wozu sollte er sich schwarze Gedanken über die Zukunft machen, wenn seine einzigen Gegner dieser Tage nur die Geister waren, die im Steinbruch wohnten und mit jedem Windhauch einen leisen Gesang anstimmten, der aus den Felsnischen pfiff? "Du musst die Flöte spielen", hatte sein Vater ihm geraten. "Sie lieben ihre Lieder und werden nur schweigend lauschen und dir nichts tun, bis die Sonne aufgeht!" Also spielte er, die Augen geschlos