Beschreibung
Auf die Geschäftsführer von GmbHs lauern gerade in der Unternehmenskrise zahlreiche persönliche Haftungsrisiken, die häufig genug nicht erkannt werden und die für die betroffenen Geschäftsführer schnell existenzbedrohende Ausmaße annehmen können.Um ein solches Haftungsrisiko handelt es sich bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Krise der Gesellschaft, welches Gegenstand dieses Buches ist.Dargestellt wird die widersprüchliche Gesetzeslage zwischen Vorschriften des Straf- und Zivilrechts einerseits und des Insolvenzrechts andererseits. § 266 a StGB stellt das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen unter Strafe und verpflichtet dadurch Arbeitgeber zur Abführung von Sozialbeiträgen, woran nach § 823 Abs. 2 BGB eine persönliche Haftung für nicht abgeführte Beiträge anknüpft. Gleichzeitig enthält jedoch § 64 Abs. 2 GmbHG für den Fall der Insolvenzreife der GmbH ein generelles Zahlungsverbot, von dem auch die Sozialbeiträge erfasst werden, und begründet eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für die in diesem Stadium abgeführten Sozialbeiträge.Die Frage, wie der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH sich in der Gemengelage dieser scheinbar unvereinbaren Handlungs- und Unterlassungspflichten rechtmäßig verhalten und der sich daraus ergebenden "Haftungszwickmühle" entgehen soll wurde lange Zeit von der straf- und zivilgerichtlichen Rechtssprechung völlig gegensätzlich beantwortet. Die inzwischen erfolgte Vereinheitlichung der Rechtssprechung durch den BGH hat zu einer sehr diffizilen Rechtslage geführt, die die Vermeidung straf- und haftungsrechtlicher Risiken für den rechtsunkundigen GmbH-Geschäftsführer zu einer nahezu unlösbaren Aufgabe macht.Dieses Buch soll, ausgehend von den Vorgaben der Rechtssprechung, aufzeigen, mit welchen Handlungsdirektiven und -strategien sich zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken bei der Zahlung oder Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Geschäftsführer einer GmbH in der Krise vermeiden lassen.Der Autor hat zu diesem Zweck eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, Urteilsbesprechungen und Fachaufsätzen ausgewertet und legt mit dieser Studie erstmals eine umfassende und systematische Darstellung der in Betracht kommenden Verhaltensleitlinien vor.Das Thema ist angesichts der weiten Verbreitung und hohen Insolvenzanfälligkeit der GmbH äußerst praxisrelevant und besitzt gerade im Hinblick auf die in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder steigende Zahl von Unternehmenskrisen eine hohe Aktualität.
Autorenportrait
Thomas Jost hat nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Wirtschaftsrecht, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung an der Fachhochschule Gießen-Friedberg studiert. Abschluss 2008 als Diplom-Betriebswirt (FH).
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 2, Der Meinungsstreit des II. Zivilsenats und des 5. Strafsenats des BGH über die Auflösung dieses Widerspruchs:Der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH hatte zunächst in einem Obiter Dictum seines Urteils vom 08.01.01 geäußert, dass die vorstehend beschriebene Kollisionslage zugunsten des gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG aufzulösen sei. Dieses gehe als die speziellere Vorschrift der allgemeinen Abführungspflicht vor. Die Abführung der Sozialbeiträge bei Insolvenzreife sei trotz ihrer Strafbewehrung auch nicht ausnahmsweise nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar. Der für diese Ausnahmeregelung anzulegende Maßstab bestimme sich nämlich nicht alleine nach den allgemeinen, durch Recht und Gesetz vorgegebenen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, sondern vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern.Somit hatte nach der Rechtssprechung des II. Zivilsenat ab Eintritt der Insolvenzreife die Abführung der Sozialbeiträge zu unterbleiben. Eine persönliche deliktische Haftung für die nicht abgeführten Beiträge nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a Abs. 1 StGB ergebe sich mangels deliktischen Verschuldens nicht, wenn der Geschäftsführer sich an das Zahlungsverbot halte. Gleichwohl abgeführte Sozialbeiträge begründeten hingegen eine Ersatzpflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft.Diese Rechtssprechung des II. Zivilsenats stand jedoch im Widerspruch zu der vom VI. Zivilsenat entwickelten und vom 5. Strafsenat mit Beschluss vom 28.05.02 übernommenen Vorrangrechtssprechung, wonach die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge aufgrund ihrer Strafbewehrung absoluten Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten habe.Der 5. Strafsenat hatte daraufhin in seinem Beschluss vom 30.07.03 eine vermittelnde Position eingenommen, indem er im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung anerkannt hat, dass das Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 GmbHG die Nichtabführung der Beiträge für den Zeitraum des Laufs der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist rechtfertige.Auch der 5. Strafsenat betonte, dass in diesem Zeitraum nach dem besonderen Schutzzweck des § 64 Abs. 2 GmbHG die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihren Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern sei. Die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge sei mit diesem Schutzzweck nicht vereinbar, da sie die Masse schmälere.Der Geschäftsführer mache sich daher im Fall der Nichtzahlung der Beiträge weder strafbar nach § 266 a Abs. 1 StGB noch hafte er persönlich für die nicht abgeführten Beiträge nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a Abs. 1 StGB. Zahle der Geschäftsführer dennoch könne er sich nicht ohne weiteres darauf berufen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG gehandelt zu haben. Jedoch entfalle dieser Rechtfertigungsgrund, wenn das insolvenzreife Unternehmen unter Missachtung der Insolvenzantragspflicht nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist fortgeführt werde. Die aus dem Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 GmbHG hergeleitete Rechtfertigung knüpfe nämlich nicht an der Insolvenzreife des Unternehmens an sich an, sondern privilegiere lediglich die dem Geschäftsführer innerhalb der Drei-Wochen-Frist eingeräumte Möglichkeit Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen und ggf. Sanierungsversuche zu unternehmen. Im Stadium der Insolvenzverschleppung lebe hingegen die strafbewehrte Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge wieder auf. Noch vorhandene finanzielle Mittel seien dann wieder vorrangig zur Begleichung der Arbeitnehmerbeiträge abzuführen, so dass der Geschäftsführer sich strafbar mache, wenn er dies unterlasse.Dieser Rechtssprechung für den Fall der In eingetretenen Paradigmenwechsel hin zu einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger unter Abschaffung von Konkursvorrechten auch für die Sozialversicherungsträger.Der 5. Strafsenat hat daraufhin in seinem Beschluss vom 09.08.05 " "im Blick auf die Ausführungen des II. Zivilsenats" " klargestellt, dass die Pflicht zur vorrangigen Abführung von Sozialabgaben sich nicht auf deren Privilegierung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO gestützt haben, sondern sich alleine aus deren Strafbewehrung durch § 266 a StGB ergebe, welche die besondere Bedeutung dieser Zahlungspflicht innerhalb des Sozialsystems kennzeichne. Bei dem Zahlungsgsverbot des § 64 Abs. 2 GmbHG und dem Zahlungsgebot nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a Abs. 1 StGB handele es sich " "entgegen der Auffassung des II. Zivilsenats" " nicht um eine Kollision zweier gleichwertiger zivilrechtlicher Pflichten, die das deliktische Verschulden entfallen ließe, wenn sich der Geschäftsführer entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG normgerecht verhalte. Vielmehr sei es, im Gegenteil, bereits zweifelhaft, ob eine etwaige zivilrechtliche Ersatzpflicht nach § 64 GmbHG nicht durch die strafbewehrte Pflicht nach § 266 a Abs. 1 StGB überlagert werde und dies bei dem Geschäftsführer, der diesem strafrechtlichen Normbefehl folge, das für die Ersatzpflicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG notwendige Verschulden entfallen ließe.Eine unabwendbare Pflichtenkollision sei aber im Fall der Insolvenzverschleppung schon deshalb nicht gegeben, weil sich der Geschäftsführer diesen widerstreitenden Pflichten jederzeit entziehen könne, indem er einen Insolvenzantrag stelle. Ein Geschäftsführer, der in verbotswidriger Weise ein insolvenzreifes Unternehmen nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist weiterführe könne sich in strafrechtlicher Hinsicht nicht auf den Grundsatz der Massesicherung berufen, da er durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht diese (nur scheinbare) Konfliktlage selbst in schuldhafter Weise herbeigeführt habe.
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