Beschreibung
In »Materie und Gedächtnis« (1896), seinem Hauptwerk, erörtert der französische Philosoph und Nobelpreisträger Henri Bergson das Zusammenwirken von Körper und Geist in der freien Handlung. Auf höchstem gedanklichen Niveau, aber in bestechend einfacher Sprache geschrieben, zählt das Werk zu den wenigen herausragenden Grundtexten der Gegenwartsphilosophie, vergleichbar »in ihrer Zeit mit Berkeleys Principles oder Kants Kritik« (William James).Nachdem Bergson im Essai sur les données immédiates de la conscience das Verhältnis von Freiheit und Determinismus auf eine neue Basis zu stellen versucht hat, wendet er sich hier, in Auseinandersetzung mit der Psychologie und Hirnphysiologie seiner Zeit, dem alten philosophischen Problem des Verhältnisses von Geist und Materie zu. Dabei reduziert er Materie weder idealistisch auf reine Vorstellungen noch nimmt sie materialistisch als deren dinglichen Grund an, sondern sieht sie als eine Gesamtheit von Bildern, wobei er den Bildbegriff auf halbem Wege zwischen Ding und Vorstellung ansetzt und damit vor die Trennung von Existenz und Erscheinung zurückgeht. Eine herausragende Bedeutung kommt dabei dem Gedächtnis zu: hier verstanden nicht als mechanisches Registrieren aufgenommener Inhalte, sondern als reines, lebendiges Gedächtnis, das sich einer geistigen, in der Vergangenheit entstandenen Bilderwelt bedient und der Dauer (durée) korrespondiert. Das auf Dauer ausgerichtete Gedächtnis verweist auf eine Selbstständigkeit des Geistes, die allerdings qua Handlung wieder auf den Körper zurückwirkt. »Der Geist entnimmt der Materie die Wahrnehmungen, aus denen er seine Nahrung zieht, und gibt sie ihr zurück in Form von Bewegung, der er seine Freiheit aufgeprägt hat« (Henri Bergson).Nach über 100 Jahren liegt das Werk nun in einer völlig neuen deutschen Übersetzung von Margarethe Drewsen vor.
Autorenportrait
Henri Bergson wird 1859 in Paris geboren. Nach seiner Ausbildung an der Ècole Normale Supérieure ist er zunächst 16 Jahre als Gymnasiallehrer beschäftigt, kann sich aber gleichzeitig seinen wissenschaftlichen Interessen widmen.Als Vertreter der Lebensphilosophie setzt Bergson den positivistischen und szientistischen Strömungen seiner Zeit eine Neubegründung der Metaphysik entgegen. Die Lebenskraft (élan vital) ist seiner Anschauung nach das movens der Entwicklung des Lebendigen, weswegen der Raum zwar analytisch erfaßt werden könne, die Zeit jedoch als ein inhomogener Zustand ein qualitatives Phänomen sei. In Materie und Geist (1896) tritt dann die Problematik der freien Handlung im Zusammenwirken von Körper und Geist in den Vordergrund. 1889 legt Bergson seine Dissertation Abhandlung über die unmittelbaren Bewußtseinstatsachen ( Zeit und Freiheit) an der Sorbonne vor, erhält schließlich 1900 einen Ruf an das Collège de France und wird 1914 in die Académie Francaise aufgenommen.Die schöpferische Entwicklung erscheint 1907 und erreicht innerhalb von 10 Jahren 21 Auflagen. Hier entwickelt Bergson eine Ontolgie, die um den Zentralbegriff des "élan vital" aufgebaut ist und die er den Evolutionstheorien Darwins entgegensetzt. Auf Grund der herausragenden literarischen Qualität seiner Schriften erhält er 1927 den Nobelpreis für Literatur.Bergson stirbt 1941 an den Folgen einer Lungenentzündung.
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