Industriepolitik in den Bundesländern

Perspektiven, Maßnahmen, Ziele

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593507248
Sprache: Deutsch
Umfang: 329 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21.4 x 14.2 cm
Auflage: 1. Auflage 2017
Einband: Paperback

Beschreibung

Nicht nur auf europäischer und bundespolitischer Ebene, sondern auch in einer Reihe von Bundesländern wurde in den vergangenen Jahren viel über die industrielle Entwicklung und die dafür notwendige Industriepolitik diskutiert. Doch wie ging und geht der Prozess in den Bundesländern vonstatten? Dieser Band wertet die Entwicklungen in Baden- Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein aus. Im Zentrum steht die Frage, ob und inwieweit die Bundesländer eine proaktive Industriepolitik mit Gewerkschaften und Arbeitgebern entwickeln und somit gesellschaftspolitische Anliegen und Zielvorstellungen berücksichtigen.

Autorenportrait

Wolfgang Lemb ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.

Leseprobe

Einleitung: Die Bundesländer - Promotoren einer "Guten Industriepolitik" Wolfgang Lemb Die Bundesländer in Deutschland: Industriepolitische Gestalter mit Know-how In einem föderalen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland sind die Bundesländer ein wichtiger Mitspieler bei der Gestaltung industrieller Entwicklung und der Umsetzung von Industriepolitik. Ohne sie, ohne ihr Mitwirken "vor Ort", kann eine europäische und nationale Industriepolitik nicht gelingen. Zwar sind die Europäische Union und die Bundesregierung ebenfalls zentrale industriepolitische Akteure, aber die Mitwirkung und Expertise der Bundesländer auf dem Feld der Industriepolitik sind als föderal ergänzendes Element entscheidend. Ohne dieses können viele industriepolitisch wirksame Programme und Maßnahmen der EU und des Bundes, die häufig lediglich den Rahmen vorgeben, nicht erfolgreich umgesetzt werden. Deshalb ist für eine "Gute Industriepolitik" ein abgestimmtes Zusammenspiel aller drei genannten politischen Ebenen unverzichtbar. Bei der Generierung und Umsetzung von Industriepolitik können die Bundesländer auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückgreifen, denn in der Vergangenheit haben sie sich immer wieder industriepolitisch engagiert. Ein historischer Rückblick zeigt dies in aller Deutlichkeit: Als wichtige Branchen - wie die Montanindustrie, der Schiffbau sowie Teile der Elektroindustrie - in die Krise gerieten, waren betroffene Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein gefordert und mussten gemeinsam mit dem Bund ihren Beitrag zur Bewältigung solcher Krisen leisten. Aber sie reagierten nicht nur. Zugleich wurde der Aufbau neuer Branchen - wie die Luftfahrtindustrie und die Solarindustrie zeigen - im Sinne einer vertikalen und proaktiven Industriepolitik durch Forschungsprogramme und die Bereitstellung von Infrastruktur sowie durch Subventionen unterstützt. Last but not least haben länderspezifische Maßnahmen zur Re-Industrialisierung Ostdeutschlands, industriepolitische Initiativen in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 sowie die Energiewende in aller Deutlichkeit gezeigt, dass ohne die Bundesländer eine erfolgreiche Industriepolitik nicht implementiert werden kann. Zugleich verfügen die Bundesländer über eigene Instrumente zur Durchführung ihrer Industriepolitik. An erster Stelle ist hier die 1969 aufgelegte Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW), die jeweils zur Hälfte vom Bund und von den Ländern finanziert wird, zu nennen. Durch die Subventionierung von Investitionen überregional tätiger Unternehmen sowie die Förderung einer industrieadäquaten Infrastruktur in strukturschwachen Regionen sollen dauerhaft wettbewerbsfähige Arbeitsplätze gesichert und geschaffen wer-den. Zugleich sind die Länder vielfach gefragt, wenn es um die Umset-zung der struktur- und industriepolitischen Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union geht. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips stellen sie gewissermaßen das Scharnier bei der Implementation der europäischen Strukturfonds dar. Durch ihre operationellen Programme legen sie fest, welche Ziele sie in der jeweiligen Förderperiode der europäischen Strukturfonds, zum Beispiel des Europäischen Regionalfonds, erreichen und wie sie die genehmigten Mittel verwenden wollen. Zudem haben sie in Eigenverantwortung Programme zur Förderung von Innovation und Industrie in der Vergangenheit und aktuell auf den Weg gebracht. Die Länder - sonst nicht als zentraler industriepolitischer Akteur wahrgenommen - verfügen somit über einen reichhaltigen Fundus an Erfahrungen und können auf ein ganzes Set von Instrumenten zur Konzipierung und Umsetzung von Industriepolitik zurückgreifen. Diese föderale Akzentuierung der Industriepolitik bringt aber auch mit sich, dass nicht von einem einheitlichen industriepolitischen Ansatz in den Bundesländern ausgegangen werden kann. Dazu ist die Situation der Industrie in den Bundesländern zu unterschiedlich: Während das einstige industrielle Zentrum Deutschlands, das Ruhrgebiet, immer noch von den Folgen der Krise der Montanindustrie und der Energiewende gebeutelt ist und bisher kein griffiges alternatives Re-Industrialisierungsprojekt ent-wickelt hat, stehen demgegenüber Baden-Württemberg und Bayern gut da. Aber auch hier drohen Gefahren, auf die man rechtzeitig reagieren muss. Beim Übergang auf Alternativen zum Verbrennungsmotor in den nächsten zehn bis 20 Jahren fällt die hochwertige Antriebstechnik, bisher eine Domäne der wettbewerbsstarken deutschen Automobilindustrie, mehr und mehr weg. Zudem werden die Digitalisierung und ein verstärkter Einsatz von Robotern gravierende Auswirkungen auf die Produktion und die Arbeitsplätze haben. Potenziell sind in absehbarer Zeit hunderttausende Arbeitsplätze bedroht. Völlig offen ist zurzeit, welche Branchen alternative Stellen schaffen könnten. Die Batterieforschung und -produktion, die zumindest zum Teil in der Automobilindustrie für neue Arbeitsplätze sorgen könnte, wird von ande-ren Staaten aus dem asiatischen Raum dominiert. Im Bereich der "Spitzentechnologien" wie der IT-Branche ist die deutsche Industrie nicht der Marktführer, in anderen zukunftsträchtigen Branchen - wie der Pharmaindustrie - hat man Boden verloren. Wiederum anders gestaltet sich die Lage in stärker agrarisch geprägten Ländern mit einer ent-sprechend wichtigen Nahrungsmittelindustrie und durchaus vorhandenen industriellen Zentren - wie zum Beispiel Schleswig-Holstein oder auch Teile Niedersachsens. Dort stößt die Nahrungsmittelindustrie vermehrt an ihre ökologischen Grenzen. Branchen wie die Werftindustrie sind einem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt, während andererseits die von der Energiewende begünstigten Hersteller von Windkraftanlagen expandieren. Niedersachsen steht zudem im Bann der aktuellen Krise des VW-Konzerns, von dem die Industriestruktur des Landes in weiten Teilen abhängt. In den Neuen Bundesländern wiederum ist die Ausgangslage nach einem historisch beispiellosen De-Industrialisierungsprozess und einem anschließenden Aufbau von einigen industriellen Kernen mit den westlichen Bundesländern nicht zu vergleichen. Trotz der oben angesprochenen uneinheitlichen Ausrichtung der verschiedenen Industriepolitiken ist es andererseits gerade eine der Stärken eines föderalen Systems, dass es diese speziellen Problemlagen mittels jeweils eigener industriepolitischer Ansätze adressieren kann. Steigender Problemdruck: Ein deutliches Signal für einen neuen Ansatz in der Industriepolitik Die Bundesrepublik Deutschland hat dank einer exportstarken Industrie die Krise 2008/2009 weit besser bewältigt als die meisten europäischen Staaten. Die Stärken des deutschen Industriemodells - die Breite der industriellen Wertschöpfung von Lowtech-Betrieben bis zu Hightech-Unternehmen, eine vielfältige Branchenstruktur, die hohe Qualität der Produkte, die enge Verbindung von Produktion und produktionsnahen Dienstleistungen sowie hochqualifizierte und -motivierte Beschäftigte mit ausgeprägten produktionsspezifischen Fähigkeiten - sind nach wie vor ein großer Pluspunkt des deutschen Industriemodells. Aber angesichts des steigenden Drucks zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen können die Bundesländer Industriepolitik nicht mehr im Sinne eines "business as usual" betreiben. Der Wandel in der Industrie und den industrienahen Dienstleistungen hat begonnen und wird in Zukunft noch an Fahrt gewinnen. Durch die unabweisbaren Anforderungen des Klimaschutzes (Pariser Klimaschutzabkommen) sowie die Digitalisierung werden sich Produkte, Wertschöpfungsketten, die Struktur der Arbeitsplätze, die Verzahnung von Industrie und industrienahen Dienstleistungen ebenso wie die Qualifikationsanforderungen dramatisch verändern. Zugleich nimmt der politisch induzierte ökonomische Druck aus anderen Staaten zu. Insbesondere China, ein Staat mit einem dezidiert autoritären industriepolitischen Konzept, will bis zum Jahr 2025 in industriellen Ke...