Beschreibung
Der Band enthält Offes wichtigste Beiträge der letzten 20 Jahre zur Demokratietheorie. Darin geht es um die Herausforderungen einer 'liberalen', auf autonomer Entscheidung beruhenden staatlichen Ordnung an individuelle und kollektive Akteure, aber auch darum, inwiefern die Demokratie selbst durch soziale Entwicklungen und durch institutionelle Schwächen herausgefordert und gefährdet ist. Die in der jeweiligen Originalsprache (Deutsch / Englisch) zusammengestellten Studien zeigen darüber hinaus, welche Optionen für institutionelle Neuerungen bestehen und welche Probleme der Versuch, Institutionen 'neu zu bauen', birgt.
Autorenportrait
Claus Offe lehrte Politikwissenschaft und Soziologie in Bielefeld, Bremen, an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Hertie School of Governance.
Leseprobe
Vorwort Die in diesem Band versammelten Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Demokratietheorie sind in einem Zeitraum von fast 35 Jahren entstanden. Die Beantwortung der dornigen Frage, wie es zu rechtfertigen sei, die Gedanken- und Bildungswege eines einzelnen Autors über einen so langen Zeitraum hinweg zu dokumentieren und den ausgewählten Texten damit eine allemal riskante Aktualitätsvermutung angedeihen zu lassen, blieb dem Autor selbst in diesem Falle erspart. Denn die (dankenswerte) Initiative für die Herausgabe der Texte ging von zwei jüngeren Kollegen, Hubertus Buchstein (Greifswald) und Rainer Schmalz-Bruns (Darmstadt), aus, die es Ende der 90er Jahre für lohnend gehalten haben, die Arbeiten erneut zu veröffentlichen. Für dieses Projekt war zunächst ein anderer Verlag vorgesehen, der freilich weder in der Lage war, für eine adäquate Übersetzung der in englischer Sprache verfaßten Beiträge zu sorgen, noch bereit, die hier schließlich gewählte und (einstweilen) unkonventionelle Lösung zu akzeptieren, nämlich die Aufsätze in der Sprache abzudrucken, in der sie geschrieben waren. Nachdem das bereits angekündigte Verlagsprojekt damit gescheitert war, habe ich mich auf Anraten meines Freundes und Lektors Adalbert Hepp entschlossen, die Herausgabe selbst zu übernehmen - und sei es nur, um dem Eindruck vorzubeugen, eine in Verlagsprospekten bereits angekündigte Veröffentlichung sei, wie es vorkommt, an den Lieferschwierigkeiten des Verfassers gescheitert. Die Zumutung, deutschen Lesern englischsprachige Texte eines deutschen Verfassers zu präsentieren, wird wohl durch den Umstand gemildert, daß weit über die Hälfte der weltweit publizierten sozialwissenschaftlichen Analysen ohnehin auf Englisch erscheinen; im Felde der Demokratietheorie dürften es eher 90 Prozent sein. Deshalb ist auch kaum zu befürchten, daß einem relevanten Teil interessierter Leser der Zugang zum neutralen linguistischen Treffpunkt des Englischen versperrt sein wird. Diese Mißlichkeiten der Entstehungsgeschichte haben dazu geführt, daß dem Band ein Beitrag fehlt, der zumindest mich am meisten interessiert hätte: ein kritischer, systematisierender, die roten Fäden bezeichnender und Brüche der Theorieentwicklung markierender Einleitungsbeitrag der Herausgeber. Diese Lücke kann hier nicht gefüllt werden. Wenn es eine akademische Disziplin gibt, der die hier vorgelegten Studien zugehören, dann ist es die Soziologie politischer Institutionen. Zum Begriff der politischen (wie aller anderen) Institutionen gehört es, daß sie - anders als bloße Konventionen oder Formalitäten wie die Regeln des Straßenverkehrs - nicht nur Systeme von Regeln sind, sondern einen Vorrat an Begründungen und Rechtfertigungen mit sich führen. Institutionen sind Form und Inhalt zugleich: selbstbegründende Regelsysteme, die nicht nur vorschreiben, wie zu verfahren sei, sondern auch angeben, weshalb und wozu die Verfahren gut sind. In diese sinngebende Selbstbeschreibung von Institutionen, mit denen sie ihren Geltungsanspruch untermauern, gehen zweierlei Arten von Annahmen ein: einerseits Unterstellungen über die sozialen Voraussetzungen, unter denen sie operieren, andererseits Erwartungen über die Funktionen, die sie erfüllen, oder über die Werte, die sie realisieren. Die zentrale Frage ist, ob diese Arten von Annahmen, ob die impliziten Theorien, die Institutionen mit sich führen, "wahr" sind. Diese Frage wird hier ohne durchgehaltenen systematischen Anspruch an einzelnen aus dem Ensemble von Institutionen geprüft, dessen Gesamtheit wir als den liberalen und zugleich wohlfahrtsstaatlichen demokratischen Verfassungsstaat bezeichnen. Wenn man den Titel des Bandes im Sinne des genitivus objectivus liest, ist die Demokratie in dem Maße "herausgefordert", als der Nachweis "unwahrer" oder problematischer Annahmen zur Lockerung des Verbindlichkeitsanspruchs demokratischer Institutionen führt. Aber auch die Lesart des genitivus subjectivus macht Sinn: Soweit normativ der allgemeinste Nenner demokratischer Bewegungen und Institutionen in der Möglichkeit gesehen werden kann, den harten Kern unbegriffener, unkontrollierter, unverantwortlicher sozialer Macht und ihrer ökonomischen, militärischen, medialen und administrativen Ausübung mit demokratischen Mitteln aufzulösen, fordert diese Idee die Bürger der "Zivilgesellschaft" und die Sozialwissenschaften heraus, diese Möglichkeit denkend und handelnd wahrzunehmen. Die gleichzeitige Wiederveröffentlichung von Studien, die zu weit auseinanderliegenden Zeitpunkten geschrieben wurden, ist womöglich auch durch den Umstand zu rechtfertigen, daß sie for better or for worse erweist, wie stark selbst theoretische Versuche der hier versammelten Art nicht nur in zeitgeschichtliche, sondern auch in die theoriegeschichtlichen (oder "paradigmenpolitischen") Aktualitäten des jeweiligen Entstehungszeitpunktes verwickelt sind.[.]
Inhalt
Vorwort7 1.Politische Herrschaft und Klassenstrukturen Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme11 2."Unregierbarkeit" Zur Renaissance konservativer Krisentheorien42 3.Politische Legitimation durch Mehrheitsentscheidung?62 4.Democracy against the Welfare State? Structural Foundations of Neoconservative Political Opportunities102 5.Bewährungsproben Über einige Beweislasten bei der Verteidigung der liberalen Demokratie136 6."Homogeneity" and Constitutional Democracy Coping with Identity Conflicts through Group Rights151 7.Democratic Institutions and Moral Resources 182 8.The Politics of Parity Can Legal Intervention Neutralize the Gender Divide?210 9.Demokratie und Vertrauen227 10.Demokratie und Wohlfahrtsstaat Eine europäische Regimeform unter dem Streß der europäischen Integration239 11.Civil Society and Social Order Demarcating and Combining Market, State and Community274 12.Micro-aspects of Democratic Theory What Makes for the Deliberative Competence of Citizens?297 13.Political Liberalism, Group Rights, and the Politics of Fear and Trust321 Drucknachweis335 Literaturverzeichnis336 Register349
Schlagzeile
Aktuelles zu Demokratie und Gesellschaft der Bundesrepublik>