Beschreibung
Antisemitismus ist ein aktuelles Problem in Zentraleuropa. Er ist jedoch keine der europäischen Menschheit eingeschriebene Konstante, sondern ein Phänomen, das in einem spezifischen historischen Kontext entstanden ist, als politische Einstellung, soziale Praxis und weltanschauliche Orientierung in Erscheinung trat und sich zur Legitimation auf die Tradition der christlichen Judenfeindschaft berief. Im Zuge der sozioökonomischen Umwälzungen des langen 19. Jahrhunderts aufgekommen, war der Antisemitismus am Ende dieses Zeitalters Ausdruck der kulturellen Krise. Er wurde zu einer zivilisationskritischen Sammelbewegung, die den Juden die Schuld an allen gesellschaftlichen Konflikten und Verunsicherungen gab. Der Zusammenbruch des alten Europa durch den Ersten Weltkrieg und die verheerenden moralischen Folgen der Kriegsniederlage riefen eine Radikalisierung des Antisemitismus hervor. Antisemitische Einstellungen gehörten zum Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung, und führten während des Zweiten Weltkrieges zum Völkermord an den europäischen Juden. Der Holocaust hatte jedoch keineswegs das Verschwinden des Antisemitismus zur Folge. Er nahm nach 1945 neue Züge an und äußert sich in Form eines Schuldabwehr-Antisemitismus, als Holocaustleugnung oder Antizionismus.
Autorenportrait
Werner Bergmann ist Professor für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin. Er hat zahlreiche Publikationen zur Geschichte des Antisemitismus vorgelegt, darunter Antisemitismus in der Bundesrepublik von 1945-1989. Ergebnisse der empirischen Forschung (zus. mit R. Erb, 1991) und Geschichte des Antisemitismus (4. Aufl., 2010). Ulrich Wyrwa ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam. Veröffentlichungen zur jüdischen Geschichte und zur Geschichte des Antisemitismus. Darunter Juden in der Toskana und in Preußen im Vergleich. Aufklärung und Emanzipation (2003). Zuletzt erschien Einspruch und Abwehr. Die Reaktion des europäischen Judentums auf die Entstehung des Antisemitismus (1879-1914) (hrsg. zus. mit dem Fritz Bauer Institut, 2010).