Beschreibung
Die politische Kultur der westdeutschen Nachkriegsdemokratie war und ist in auffälliger Weise von der faktischen Nichtexistenz dessen geprägt, was man gemeinhin als "intellektuelle Rechte" zu bezeichnen pflegt. Jenseits der CDU/CSU konnte sich in der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft ein weitstrahlender, zu meinungsbildender Breitenwirkung gelangender Konservatismus nicht entfalten - weder in der Parteienlandschaft noch in der politischen Publizistik, noch gar in der öffentlichen Diskussionskultur des westdeutschen Teilstaates. Gleichwohl gab es - vor wie nach der Epochenscheide von 1968 - immer wieder einzelne Repräsentanten bzw. gruppenspezifische Zirkel, die sich nachhaltig darum bemühten, Positionen genuin "rechter", konservativer politischer Provenienz in den gesellschaftlichen Deutungsdiskurs der Bundesrepublik einzubringen. Dieses konservative Gegenmilieu zum - mehr oder weniger stark "links" dominierten, durch "Westernisierung" bzw. "Amerikanisierung" charakterisierten - Umbruchs- und Wandlungsgeschehen in Westdeutschland vornehmlich seit Ende der 1960er Jahre ist Gegenstand dieses Sammelbandes. Er problematisiert ausgewählte Bereiche in Politik, Gesellschaft und Kultur, in denen sich trotz aller gegenläufigen Tendenzen Restbestände konservativer Gesinnung erhalten und entfalten konnten: Institutionen und Organisationen, die von konservativen Grundeinstellungen geprägt waren, aber auch spezifische Milieus und diesen Milieus zugeordneten Persönlichkeiten, die konservative Denkstile entwickelten bzw. der jeweiligen Gegenwartslage anzupassen versuchten. Damit steht eine Thematik zur Diskussion, die von der zeithistorischen Forschung bisher nahezu vollständig marginalisiert worden ist.
Autorenportrait
Frank-Lothar Kroll studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik, Philosophie und Religionswissenschaften in Bonn und Köln. 1987 Promotion; 1992 Präsident der Werner Bergengruen-Gesellschaft e.V.; 1995 Habilitation in Erlangen; 1996 Louis Ferdinand Preis des Preußeninstituts; Professurvertretungen an den Universitäten Erlangen und Dresden; 2000 Professurvertretung und spätere Berufung auf die Professur für Neuere und Neueste Geschichte / Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der TU Chemnitz. Seit 2006 Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission und seit 2011 1. Vorsitzender der Prinz-Albert-Gesellschaft e.V.; u.a. Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Zeitgeschichte München, der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 e.V. und der Ranke-Gesellschaft.
Inhalt
Inhalt: I. Perspektiven: F.-L. Kroll, Die kupierte Alternative. Konservatismus in Deutschland nach 1945 - C. Albrecht, Konservatismus und Bundesrepublik: Wie muß eine Wirkungsgeschichte konzipiert sein? - II. Institutionen und Organisationen: J. Schüßlburner, Beamtentum in der Bundesrepublik als konservatives Element - K. Hammel, Konservative Ansätze in der geschichtlichen Entwicklung der Bundeswehr - M. Stickler, Der Aufstieg des "Fünften Standes". Die deutschen Vertriebenen in der Bonner Republik - III. Presse und Publizistik: F. Dirsch, Individualisierung und Traditionsbewahrung. Das katholische Milieu der 1950er Jahre und die Zeitschrift "Neues Abendland" - H. B. von Sothen, Hans Zehrer als politischer Publizist nach 1945 - IV. Wissenschaftliche Milieus: K. Hornung, Ein konservativer Historiker im totalitären Zeitalter: Hans Rothfels - U. E. Zellenberg, Staatstheorie im Widerspruch zum Zeitgeist. Zur Apologie des demokratischen Verfassungsstaats bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Josef Isensee, Herbert Krüger und Helmut Quaritsch - M. Henkel, Konservatismus im politischen Denken Eric Voegelins. Überlegungen zum Problem der Verortung seines Ansatzes - V. Konservative Intelligenz: H.-C. Kraus, Als konservativer Intellektueller in der frühen Bundesrepublik. Das Beispiel Friedrich Sieburg - S. Peters, Zwischen Ideologie und Demagogie: William S. Schlamm und die Qual des Friedens - S. Winckler, Konservative Intelligenz im vereinigten Deutschland