Beschreibung
Geschichten vom ''Dach der Welt''
Die vierzig Geschichten in diesem Buch sind eine Hommage an die Kultur Tibets und ein Schatz für alle Märchenliebhaber.
Tibet als literarischer Kraftort wartet noch auf seine Entdeckung. Dabei kann es auf eine Jahrtausende alte Märchentradition zurückblicken, die sich aus zwei ganz verschiedenen Quellen speist: der ursprünglichen Naturreligion mit ihrem Schamanentum und dem aus Indien stammenden tantrischen Buddhismus. Beide Geisteswelten gingen auf dem ''Dach der Welt'' eine faszinierende Synthese ein.
Geschichten vom "Dach der Welt"
40 Märchen aus Tibet
Die Wurzeln der tibetischen Kultur
Autorenportrait
Michael von Brück, Jahrgang 1949, studierte Evangelische Theologie, Vergleichende Sprachwissenschaften und Sanskrit. Er lehrte in Madras (Indien) bevor er 1988 seine erste Professur an der Universität Regensburg antrat. 1991 wechselte er auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der LMU München. Von Brück ist ausgebildeter Zen- und Yogalehrer.
Leseprobe
Tibet ist ein Land europ?cher Projektionen. M?hen sind die Erz?- und Literaturgattung, in der Sehns?chte, Hoffnungen, ?gste und Lebenserfahrung in narrative Muster projiziert werden, damit Menschen nicht nur Unterhaltung, sondern Nutzen f?r ihren Lebensweg daraus ziehen k?nnen. Wenn Tibet und M?hen zusammenkommen, m?sste also die Projektionskraft ins Fantastische gesteigert werden und die Architektur der Symbolik schier grenzenlose R?e der Imagination er?ffnen, durch die der Mensch auf seine geistigen Potentiale und M?glichkeiten seelischer Pfade hingewiesen wird. Und genau so ist es. Hinter aller Exotik, schauerlicher Fremde und schillernder Faszination der tibetischen M?henwelt zeigt sich das eine Menschsein, das Tibeter wie Europ? und Menschen aller Orte und Zeiten miteinander verbindet. Ein Menschsein, das in der Lekt?re, mehr noch in der Erz?ung der M?hen ausgelotet sein will. M?hen sind nicht leicht abgrenzbar von Mythen. Beiden ist gemeinsam, dass sie in dramatischen Erz?ungen die Grundfragen des Menschseins nach dem Woher, dem Wohin und dem Wozu der menschlichen Existenz durchbuchstabieren und L?sungen empfehlen. W?end Mythen aber eher Theogonien, Kosmogonien oder den Zusammenhang der menschlichen Welt mit der Natur thematisieren, sind M?hen auf die menschliche Lebenswelt, die Spannungen im individuellen Reifungsprozess und die sozialpsychologischen Muster konzentriert. Mythen geben Gesellschaften grundlegende Identit?und Orientierung, sie sind gro?l?ig und in ihrer Wirkungsgeschichte paradigmatisch. M?hen hingegen ?eln eher Miniaturen, die menschliches individuelles Erleben in seinen Grundmustern abbilden. In den Helden-Mythen und Helden-M?hen freilich ber?hren sich die Themenkreise, und auch die literarischen Gestaltungsmittel ?berlappen einander. Oft haben Mythen einen zeitlichen Rahmen, d. h., sie erz?en vom Anfang oder dem Ende der Welt. M?hen hingegen kennen das charakteristische "es war einmal", d. h., die Zeit des M?hens ist weder am Anfang noch am Ende der Zeit, sondern immer, und das bedeutet f?r denjenigen, der das M?hen h?rt: jetzt. Mythen spielen meist an einem bestimmten Ort, ja sie begr?nden Kulte und Riten, die mit Orten verbunden sind und eine heilige Geographie darstellen. Rituale sind der Ort, an dem Mythen aktualisiert werden, wodurch der Eindruck entsteht, dass sich genau das, was im Mythos erz?t wird, zugetragen hat, indem ein ?bernat?rlicher Akteur (G?tter, D?nen, au?rnormale Menschen usw.) in die Geschichte eingetreten ist. Der Mythos verortet den Einbruch des Heiligen in bestimmter Weise. M?hen hingegen sind (meist) nicht verortet, sie spielen ?berall und nirgends. Der Ort des M?hens ist die Seele eines jeden Menschen, der aufnahmebereit ist und die Bildersprache zu verstehen gelernt hat. In M?hen wie in Mythen werden die im Tagesbewusstsein erfahrbaren Unterschiede von Raum, Zeit, unterschiedlichen Gattungen, Menschenwelt und Geisterwelt, miteinander verschmolzen. Insofern scheint das M?hen den Tr?en zu entspringen oder Perspektiven zu verkn?pfen, wie sie dem Empfinden der Kinder entsprechen. Vor allem sind im M?hen Gegenst?e, Pflanzen oder Tiere nicht nur belebt, sondern auch f?g, sich Menschen mitzuteilen. Freilich muss die Sprache der B?e, der Tiere und der gef?lichen wie hilfreichen Geister erst erlernt werden, und dies allein weist schon auf die P?gogik der M?hen hin, auf den Reifungsprozess, der zu vollziehen ist, damit eine bestimmte Aufgabe oder die Lebensaufgabe ?berhaupt gel?st werden kann. Im M?hen wird die Verbundenheit aller Erscheinungen in der Welt reflektiert, eine innere oder tiefere Realit??ffnet sich hier, die dem Tagesbewusstsein, das objektive Distanz sucht, ?berlegen zu sein scheint, wenn es um intuitives Wissen geht. Sp?stens seit der Romantik unterscheidet man Volksm?hen von Kunstm?hen. Jene seien ?ber Jahrhunderte hinweg in Volkserz?ungen und -liedern von Generation zu Generation weitergegeben und dann gesammelt, ediert und publiziert worden (am bekanntesten ist in