Siebenmal in der Hauptrolle

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783421052520
Sprache: Deutsch
Umfang: 320 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 17.5 x 11.3 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Dieser Roman ist das hochinteressante Beispiel einer mit einem rein politischen Motiv verknüpften metaphysischen Erzählung. Ich kenne keine Schilderung der europäischen Dämmerung der dreißiger Jahre, keine Beschreibung des Hexensabbats, der mit dem Zweiten Weltkrieg sein Ende nahm, die so suggestiv ist', urteilte Graham Greene über Egon Hostovskýs bestes Buch, das 1942 in New York zuerst veröffentlicht wurde. Es erscheint erstmals in deutscher Übersetzung.

Autorenportrait

Egon Hostovsky, einer der bedeutendsten tschechischen Prosaschriftsteller, wurde 1908 in Hronov (Ostböhmen) in einer jüdischen Familie geboren. Nach kurzem Studium in Prag und Wien arbeitete er seit 1930 für Prager Verlage, seit 1937 im Außenministerium. 1939 emigrierte er nach Frankreich, 1940 in die USA. 1946 kehrte er zurück, arbeitete im Außenministerium, 1948/49 an der Botschaft in Oslo. Dann emigrierte er erneut in die USA. Dort starb er 1973 in Montclair.

Leseprobe

Auf einem Fetzen linierten, aus einem billigen Notizbuch herausgerissenen Papiers steht, mit Bleistift geschrieben, der letzte Wunsch Josef Kavalskys. Auf den grauen Umschlag hatte dieselbe zittrige Hand in drei auseinanderstrebenden Zeilen meinen Namen und meine letzte Adresse gekritzelt. Das ist alles, was vom nicht restlos gelüfteten Geheimnis, den verborgenen Geschichten, den langen Irrwegen und wahnhaften Abenteuern eines Menschen blieb, der im Reich der Lebenden wie im Reich ihrer erträumten Schatten Dutzende halsbrecherischer Schicksale geschaffen hatte, denen er folgte und die er doch nicht einholte. Immer wieder, nun schon zehn Tage und Nächte lang, lese ich die letzte Botschaft dessen, der mich durch die Glut phosphoreszierender Dunkelheiten in den Bann schlug und mit der Krankheit der toll gewordenen Welt ansteckte, die gerade in Flammen aufgeht. Das große Schweigen haucht mich an, wann immer ich mir die Botschaft, die mein seltsamer Freund und Doppelgänger kurz vor seinem Tod verfaßte, noch einmal vergegenwärtige: Sowie es Dir möglich ist, teile meinen Tod bitte meiner Frau, meiner Schwester Ruzena, Doktor Kalina, Professor Marcel, dem Schauspieler Hrubin und Frau Irena mit. Er starb in einem Armenkrankenhaus in der New Yorker Vorstadt, kurz bevor ich ihm an Amerikas Küste nachreisen konnte. Sein Umschlag wurde mir noch auf dem Schiff vom Konsul übergeben. Seit zehn Tagen und Nächten quäle ich mich mit dem dumpfen Schweigen, das mir Kavalskys Tod aufbürdete, der genauso bizarr war wie all das (ich zögere, es als Leben zu bezeichnen), was ihm vorausging. Er starb angeblich an einer Krankheit, an der man in der Regel nicht stirbt. Einer Grippe, einer Angina - oder etwas Ähnlichem. Der Konsul sagte mir auch, daß er die Nachricht von seinem Tod sofort an den Präsidenten und die Regierung nach London telegrafiert habe, nicht weil er den Verstorbenen für eine besonders bedeutende Persönlichkeit hielt, sondern "eher aus Pietät gegenüber allem, was heute in unserer armseligen Exilkultur geschieht". Und er fuhr fort: "Das Exil hat ihn arg mitgenommen, er war bis auf die Knochen abgemagert, und als er Kräfte gebraucht hätte, um sich vom Lager zu erheben und einer eigentlich leichten Krankheit Widerstand entgegenzusetzen, zeigte sich, daß er über keinerlei Kraft verfügte. Sein Visum war in Ordnung, ein Besuchervisum mit einjähriger Gültigkeit. Die Exilzeitungen in Amerika schreiben immer noch über ihn. Ich wußte nicht, daß er russischer Abstammung war. Sie haben ihn wohl ziemlich gut gekannt, nicht wahr?" Ich erinnere mich nicht, was ich dem Konsul geantwortet habe. Schon seit zehn Tagen und Nächten vergesse ich, was ich einen Augenblick vorher gesagt habe oder was man mir gesagt hat. Ich kann mich kaum erinnern, wo ich gestern abend war und wen ich getroffen habe. Und dennoch irre ich durch New York, esse, trinke, plaudere mit Neugierigen über meine Erlebnisse, kaufe mir Seife, Krawatten und Zahnpasta, begaffe die Schaufenster und betrachte die Wolkenkratzer, lese Zeitungen, kurzum: ich verhalte mich nach außen hin, wie ich mich vor einem Monat und vor einem Jahr in anderen Ländern verhalten habe. Dennoch ist mir, als würde ich vor meinem Tode sterben. Manchmal überkommt mich für einen kurzen Augenblick die starke Versuchung, einfach loszulachen. Es wäre jedoch kein böses, verzweifeltes, hysterisches Lachen! Sondern so ein stilles, resigniertes, unaufdringliches Lachen. Ich bin ja weder verzweifelt noch unglücklich, auch nicht erschüttert, nur verwundert. Ganz schwindlig und wirr vor Verwunderung über den sinnlosen Reigen der Figuren meiner wirbelnden Geschichte, über die Ereignisse, die in einen Strudel geraten waren, der immer weitere Kreise zieht, die vom ebenso endlos wie bodenlos fließenden Element verschlungen werden. Vielleicht hätte auch ich dem tschechoslowakischen Präsidenten und seiner Regierung nach London telegrafieren oder schreiben sollen. Ach, was hätten wohl die Sekretäre und Untersekretäre gesagt, wenn Leseprobe