Beschreibung
1871 betrat der deutsche Nationalstaat die politische Bühne Europas, also vergleichsweise spät. Somit hatte das junge Kaiserreich einiges aufzuholen: Die einzelnen Regionen des Reichs mussten zusammenwachsen und eine gemeinsame Identität entwickeln. Auch unter den europäischen Großmächten wollte sich Deutschland behaupten - nicht zuletzt, indem es sich Kolonien in Afrika und Asien verschaffte. Das deutsche Kaiserreich war jedoch moderner, als wir denken: ein Nationalstaat, der mit an der Spitze des technischen Fortschritts stand und aktiv an der um 1880 beginnenden Globalisierung teilnahm. Schnelle Eisenbahn- und Schiffsverbindungen entstanden, die Kommunikationsnetze wurden ausgebaut - im Zentrum Europas wuchsen die einstigen Kleinstaaten rasch zu einer Nation mit gemeinsamem Selbstverständnis zusammen. Auch nach außen vernetzte sich das Kaiserreich, und zwar nicht nur im Hinblick auf seine Handelsbeziehungen - am Imperialismus der europäischen Großmächte beteiligte man sich ebenfalls. In der Zeit zwischen 1871 und 1914 bildeten sich gesellschaftliche Strukturen heraus, die für die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert entscheidend sein sollten.
Autorenportrait
Jens Jäger, geb. 1965, ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln. Sein aktuelles Forschungsprojekt 'Heimat global' beschäftigt sich mit lokalen, nationalen wie globalen Identifikationsprozessen.